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9. (7. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.
schmuck versage. In diesem feuchten Sommer prangt die Linde im üppigsten Grün; aber bereits zwei Mal hat sie in früheren Jahren versagt, Grund für Phantasiebegabte auf die nahe Lösung des Zaubers zu hoffen. Jedenfalls ist dieser Baum als das älteste Lebewesen im Weichbild der Stadt verehrungswürdig. Ihm benachbart liegt die alte Klosterkirche, das einst mit ihr verbundene Kloster ist verschwunden; aber dem Gotteshause werden z. Z. zwei Türme von 65 m Höhe und ein Dachreiter von 12 m angefügt, die es zu einem weit ins Land hinein leuchtenden Wahrzeichen Neu-Ruppins zu machen versprechen. Von hohem Interesse war die nun folgende Besichtigung des „Zieten- Museums“ in der Aula des städtischen Gymnasiums, sogenannt nach dem Donator, dem Sohne des berühmten Fridericianischen Husarengenerals, der im nahen Wustrau, seinem Familiensitz, südlich der Stadtam See gelegen, begraben liegt.') Ein Bild des alten „Zieten aus dem Busch“ ziert neben andern Bildern das Museum, dessen interessantester Inhalt durch Herrn Gymnasial-Direktor Begemann vorgezeigt und erläutert wurde. Außer einer beträchtlichen Anzahl von Urnen, darunter eine mit ungewöhnlich zierlichem Ornament, sind einige Bronzen, zumeist im Moor gefunden sehr bemerkenswert, vor allem ein kleiner Wagen mit drei Rädern auf derselben Achse und schwer zu deutenden Verzierungen darüber, ein Seitenstück zu einem ganz ähnlichen von Rudolf Vircbow in der Nähe von Burg im Spreewalde gefundenen und als Weihgeschenk angesprochenen Stück, z. Z. im Museum für Völkerkunde. Ein schwerer, durch schraubenförmiges Winden des glühenden Bronzestabes vermutlich hergestellter Halsring hat seine Federkraft so gut bewahrt, daß er noch jetzt auseinandergebogen werden kann, zwei Armringe zeigen blau- grünen Edelrost von ungewöhnlichem Glanz. Ein kurzes Bronzeschwert ist von so hervorragend schöner Arbeit, daß es wohl aus einer südeuropäischen Werkstatt herrühren mag.
Die merkwürdigsten Stücke aber sind ein im Pfuhl bei Dabergotz gefundener uralter Pflug mit hölzerner Pflugschar und eiu Seitenstück zur Götz von Berliching’schen eisernen Hand, eine für den linken Arm als Ersatz der verlorenen Hand kunstvoll angefertigte eiserne Hand, deren Mechanismus es u. A. ermöglichte, durch Federdruck mittelst der rechten Hand die Finger zu strecken und sie wieder zu schließen, nachdem der Zaum hineingelegt worden war. Der Mechanismus ist, dank der konservierenden Wirkung des Moors so gut erhalten daß er noch heute tadellos funktioniert. Dies merkwürdige Stück wurde 1836 im Rhin bei Altruschein gefunden.
') Mit diesem Sohn ist das tüchtige Geschlecht der Zieten im Mannesstamm ausgestorben.