Heft 
(1907) 16
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10. (8. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.

10. (8. ausserordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres

Sonntag, den 22. September 1907.

Wanderfahrt nach Wittenberg a. Elbe.

Etwa 60 Teilnehmer hatten sich für die Fahrt vereinigt. Auf dem Bahnhof Wittenberg wurden wir von den Herren des Ortsausschusses empfangen und zur Stadt geleitet. Die erste Sehenswürdigkeit, die wir antrafen, war die Luthereiche vor dem Elstertor. Sie ist ein statt­licher Baum von 80 Jahren und steht auf dem alten Schindanger, wo Luther die Bulle des Papstes verbrannt hatte. Der alte Baum war in den Napoleonischen Kriegen gefällt worden. Die Hauptstraße der Stadt ist die Kollegienstraße, in der auch die wichtigsten Gebäude aus alter Zeit stehen. Zunächst suchten wir das ehemalige Augustiner- Kloster auf, das zwischen 1564 und 1583 vom Kurfürsten August erbaut wurde. Durch das Vorderhaus, das heutigen Tages ein könig­liches Predigerseminar beherbergt, gelangt man auf einen stattlichen Hof, der rings von hohen Gebäuden eingeschlossen wird. Auf dem Hof steht ein Brunnen, ein Geschenk der Stadt Wittenberg für Luther, sein Wasser fließt beständig und kommt aus der Wasserleitung, welche die Stadt kurz vor Luthers Niederlassung eingerichtet hatte.

Gegenüber dem Hauptgebäude steht das Lutherhaus, es gehörte, als Luther es 1508 als Professor der Theologie bezog, zum Kloster und wurde ihm im Jahre 1526 nach der Aufhebung des Klosters vom Kur­fürsten geschenkt. Es ist in den Jahren 184473 nach Plänen Stülers erneuert worden und besteht aus einem Erdgeschoß und einem Ober­stock. An dem Gebäude sind höchstens das Refektorium außer den Grundmauern die ursprünglichen.

Ein stattliches Portal führt in das Haus hinein und ist an beiden Pfosten mit Steinornamenten geschmückt, links mit dem Porträt Luthers und rechts mit seinem Wappen. Eine Treppe befindet sich zunächst die Luther-Aula, ein großer Saal, in welchem bei der Einweihung der Schloßkirche im Jahre 1892 die Festtafel abgehalten wurde. An der einen Schmalseite steht das Pult aus der Schloßkirche mit den vier Siegeln der Fakultäten. Die Wände sind im übrigen geschmückt mit zahlreichen Bildern kursächsischer Fürsten, die zum größten Teil von Cranach gemalt wurden. Der nächste Saal ist die Bibliothek, sie umfaßt ca. 1300 Schriften Luthers, die in Glasschränken aufgestellt