Heft 
(1907) 16
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10. (8. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.

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einer Frau, die dem Beschauer den Rücken kehrt und einen reichen Pelz­mantel trägt, sie soll die Frau des Künstlers sein. Rechts vom Altar hängt die Beichte mit Bugenhagen. An der linken Längswand des Altarraumes fällt noch das Bild eines unbekannten Meisters auf, die Darstellung Jesu im Tempel mit einer meisterhaften Perspektive der Räume. Vor dem Altar steht ein Taufstein aus Bronze, von Vischer d. Ä. aus dem Jahre 1457 mit den Aposteln und den Evangelisten. Unter dem Fußboden des Altarraumes befinden sich die Gräber von Hans Luft und Bugenhagen. Der erstere war mehrmals Bürgermeister der Stadt und druckte 1534 die erste Bibel Luthers und der letztere war der erste evangelische Prediger an dieser Kirche. In die Wände des Altarraumes sind noch mehrere Grabsteine eingefügt worden, z. B. der Bugenhagens. In dem Raum hinter dem Altar hängen ferner noch einige Gemälde, z. B. eins, das den Heiland darstellt, wie er Tod und Teufel besiegt, ein zweites zeigt das Opfer Abrahams und ein drittes, wie Moses die eherne Schlange aufrichtet. Auch mehrere Porträts von Geistlichen, welche an dieser Kirche tätig waren, sind hier aufgehängt. Auf der Nordseite des Altar­raumes unweit der Kanzel ist ein Hochrelief aus Alabaster von Cranach d. J. eingemauert, das die Grablegung Christi vorstellt. Die Figuren sind nur einige Dezimeter groß und doch gehört es zu den herrlichsten Bildwerken der Stadt. Eine Tür in der Wand des Altarraumes führt in die Sakristei, in der sich ein Bild des jüngeren Cranach befindet die Bekehrung Pauli; sie wurde erst im Jahre 1570 angebaut.

Auch an den Außenwänden treften wir noch einige Kunstwerke; über dem Haupteingang zwischen den beiden Türmen steht eine kleine Statue der Mutter Maria und hoch oben unter dem Dach des Altar­raumes und zwar auf der Südseite ist eine in Stein gehauene Sau an­gebracht, an deren Zitzen mehrere Männer saugen. Die Männer tragen spitze Hüte, wie es für die Juden vorgeschrieben war, weshalb man das Kunstwerk mit der Judenvertreibung im Jahre 1304 in Verbindung bringt. Dabei befindet sich die Inschrift: Rabbini Schemhamphoras. Unter dem Kirchendach findet sich auf der Südseite die lateinische Inschrift: Mein Haus ist ein Bethaus. Desselben Säuberung von den Papisten, die es zur Mördergrube gemacht, ward begonnen durch den teuren Gottesmann D. Martin Luther und ist dabei geblieben durch Gottes Hülfe bis zum gegenwärtigen Jahr 1570, in welchem eine Er­neuerung des Kirchengebäudes geschehen ist. Gott hat sein Reich auf­gerichtet, deshalb wollest Du, Gott, es stärken, denn es ist Dein Werk. Psalm 68, 29. D. 6. September 1570. Am Treppentürmchen der Nord­seite ist ein alter Stein mit der Jahreszahl 1569 eingemauert, der das Wappen der Kirche zeigt: Christus als Weltenrichter auf einem Regen­bogen mit Schwert und Lilienstab (Fluch und Segen).