Heft 
(1907) 16
Seite
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10. (8. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.

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Melanchthon s., beide unter einem gotischen Baldachin. Luther ist von Schadow (1821) und Melanchthon von Drake (1865) geschaffen worden.

Vom Markt setzt sich die Kollegienstraße als Schloßstraße weiter fort. An ihrem Anfang, dem Rathaus schräg gegenüber, steht das Cranaclihaus, ein dreistöckiges Gebäude mit neun Fenster Front. Wenn man auf dem Marktplatz steht, so präsentieren sich die beiden Türme der Stadtkirche besonders gewaltig, breit und wuchtig recken sie sich über die Häuser heraus und enden oben mit zwei gleichen zierlichen Türmchen, die durch eine Brücke verbunden sind. In ihnen wohnt noch immer der Türmer genau wie in Jüterbog.

Am Ende der Schloßstraße gegenüber der Schloßkirche steht das Denkmal Kaiser Friedrichs III, auf dessen eifriges Betreiben die Restauration der Schloßkirche durchgeführt wurde, und zwar durch Adler von 18851892. Die Schloßkirche gehörte zum Kurfürstlichen Schloß, das von 14901499 von Friedrich dem Weisen erbaut worden war, sie war 1760 bis auf die Mauern ausgebrannt und nach der Beschießung von 1813 restauriert worden. Neben der Kirche steht ein hoher Turm, der bei der letzten Restaurierung mit in den Bau einbezogen worden ist. Unter seinem überspringenden Oberbau liest man auf blauem Grunde in goldenen Buchstaben die Worte: Eine feste Burg ist unser Gott.

ln der Nordwand der Schloßkirche befand sich die Tür, an welcher Luther im Jahre 1517 am 31. Oktober die 95 Thesen angeschlagen hatte. Diese Türen wurden bei dem Brande zerstört und sind durch Bronzetüren ersetzt, die 1858 von König Friedrich Wilhelm IV. geschenkt worden sind. Sie sind 3 m hoch und 2,5 m breit und enthalten den Text der Thesen. Das eigentliche Portal aber ist alt, aus dem Jahre 1499, und enthält unter seiner Wölbung ein enkaustisches Gemälde: Christus am Kreuz mit Luther und Melanchthon. Über dem Portal sind die Steinbilder Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen von Drake in der Wand angebracht.

Das Innere der Kirche macht einen erhebenden Eindruck, das Schmale, Lange und Hohe überrascht, und die Beleuchtung, die nur im Altarraum eine helle ist, steigert noch den Eindruck des Feierlichen. Der weiße Ton des Sandsteins wird in dem Dämmerlicht abgeschwächt. Hier hatte Herr Kastellan Römer die Führung übernommen. An der westlichen Schmalseite der Kirche unter dem Orgelchor befindet sich das Grabmal einer Anzahl Anhaltiner Fürsten. Die Särge wurden 1884 auf der Stelle des ehemaligen Franziskaner-Klosters gefunden und hierher überführt. Es wurde unter dem Boden eine Gruft für sie hergerichtet und über dem Boden auf erhöhtem Unterbau eine Kupferplatte gelegt mit den Namen und den nötigen Jahreszahlen. Sie reichen von 1273 bis 1435. Diese Platte ist ein Geschenk Sr. Majestät des Kaisers. In