Heft 
(1907) 16
Seite
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11. (3. ordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.

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Von einer endgiltigen Stellungnahme unsererseits, sagt der Ver­fasser,zu diesen verschiedenen Erklärungsversuchen sehen wir ab. Wir auch.

b) Dr. August Thienemann: Planaria alpina auf Rügen

und die Eiszeit. Trotz des wenig versprechenden Titels enthält diese Abhandlung eine Menge Dinge, die sich auch auf unser brandenburgisches Klima in der Vorzeit beziehen lassen, ferner entnehme ich am Schluß des Referats daraus Veranlassung, auf die wahrscheinliche Entstehung mehrerer Fischarten bei uns während der Eiszeit aufmerksam zu machen. PI. alpina ist ein Strudelwurm sehr kalter Bäche, welcher während der Eiszeit nach Deutschland gelangt ist und sich an wenigen Lokalitäten erhalten hat. Als solche sind von Thienemann auf Rügen die ins offene Meer einmündenden Bäche Jasmunds scharfsinnig erkannt von DwasidenSaßnitz bis StnbbenkamraerBisdamitz. Zum Teil lebt dieser auch aus dem Thüringer Wald, ferner vom Riesengebirge, Schwarz­wald usw. bekannte Strudelwurm unterirdisch an den kältesten Stellen. Gleichwohl wird es ihm in Rügen allmählich zu warm, denn die ge­schlechtliche Fortpflanzung beobachtete Thienemann nur selten, im Gegensatz zu der Vermehrung durch Teilung. Die sämtlichen in Frage kommenden rügenschen Bäche habe auch ich vom Juni bis Mitte August d. J. untersucht.

Planaria alpina kommt in der norddeutschen Tiefebene sonst überhaupt nicht vor, wenigstens ist sie noch nicht nachgewiesen. Fragt sich, ist sie ein alpines Relikt der Eiszeit (sie kommt in der Schweiz, Seealpen, Pyrenäen vor) oder ein nordisches, auf Skandinavien zu be­ziehendes Relikt. Thienemann scheint sich für letztere Eventualität ent­scheiden zu wollen, zumal er ein Exemplar selbst bei Bergen in Nor­wegen gefunden hat. Ganz bestimmt spricht Verfasser sich nicht aus. Schließlich gelangt er dahin (mit W. Voigt), daß in präglazialer Zeit PI. alpina mit einem andern Strudelwurm, Polycelis cornuta nur den alten Kontinent bewohnte. PI. alpina hat also die in der Brandenburgs öfters besprochene Yoldia-Zeit*) erlebt, deren ältere Zeit etwa dem Küstenklima des karisclien Meeres entsprechend war mit 8 bis 9° 0 Jahrestemperatur, und die jüngere etwa West-Spitzbergen entsprechend mit 5 bis 7» C. Von diesem gewaltigen Yoldia-Meer, das nach einigen durch den bosnischen Meerbusen, nach anderen durch die großen schwedischen Landseen mit dem Eismeer in Verbindung stand, haben sich Konchylienreste (Yoldia-Tone) in unserer westlichsten Ostsee his zur Oder noch nicht nachweisen lassen.

Das Land hob sich und die Ostsee wurde zu einem großen all­mählich aussüßendem Riesensee, dem Ancylus-See, so recht unzweck-

*) Yoldia, eine hocharktische Muschel, die als Leitfossil die Yoldia-Meer-Fauna kennzeichnet; Yoldia (Portlandia' arctica Gray lebt heut im Karischen Meer.