Heft 
(1907) 16
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11. (3. ordentliche) Versammlung des XVL Vereinsjahres.

Vereinigungen, weiche diese Publikationen sehr anfeinden, auch wünschen, daß dagegen von Amtswegen eingeschritten werde. Ich vermute, daß dies erfolglos sein wird, sehe andrerseits nicht ein, warum nicht eventl. Widerlegungen durch Rede und Schrift versucht werden sollen.

Wir haben als eine beschreibende wissenschaftliche Vereinigung selbstredend nicht die Aufgabe, Partei hüben oder drüben zu ergreifen, wir betrachten solche Veröffentlichungen nur von unserm, d. h. vom Standpunkt der Kunde unserer Heimat ganz objektiv.

XLVI. Dem Protokoll des uns befreundeten Vereins für Ge­schichte der Mark Brandenburg vom 12. Juni d. J., welches viel Interessantes enthält, entnehmen wir eine Mitteilung des Herrn Geh. Archivrats Dr. Bailleu über das Abschneiden des Zopfes in der preußischen Armee vor 100 Jahren. Bailleu führte das Urteil eines Franzosen von 1805 an, daß in der preußischen Armee die Kunst, den Menschen an lästige Unbequemlichkeiten zu gewöhnen, auf das äußerste getrieben sei, und die Schilderung I'oteus, in der es heißt: Eine wahrhafte Plage bildete die Herstellung der Frisur. Wenn morgens ausgerückt werden sollte, begann bald nach Mitternacht der Haarputz, es wurden die Zöpfe gebunden; Pomadebüchsen und Kleister­töpfe geöffnet, und eine Wolke von Mehl lagerte sich auf dem Werke. Wer fertig war, mußte auf seinem Bett sitzen, umdie Arbeit nicht wieder zu niclite zu machen.

Im Kriege von 1806 nun ist der Zopf allmählich gefallen. In der Kabinettsorder vom 17. Dezember 1806 an Prinz Heinrich, durch die Gneisenau zum Major ernannt wurde, verfügte der König:Ich ge­

nehmige auch, daß die schon gedienten, bei den neuen Bataillons ein­gestellten Soldaten ebenfalls, sowie die Rekruten, keine Zöpfe tragen, und überlasse ich Ew. Liebden, das Absclmeiden des Haares dieser Soldaten zu befehlen. Ihre Vollendung erhielt diese Zopfabschneiderei dadurch, daß zu Anfang Mai 1807, während seines Aufenthaltes im russischen Hauptquartier, auch König Friedrich Wilhelm III. selbst sich seinen Zopf abschneiden ließ und ihn der Königin Luise über­sandte. Die Königin hat ihm darauf folgende bemerkenswerte Antwort gegeben (im Original französisch):Das Geschenk, das Du mir

gemacht hast, ist wirklich von ganz neuer Art, und sicher werde ich diesen Zopf mein ganzes Leben lang aufbewahren. Das bringt mich zu besonderen Gedanken, deren Ergebnis nicht erfreulich ist. Vor zwei Jahren hätte niemand in Preußen an diese Änderung zu treten gewagt, wegen des ideellen Wertes, den man dem alten Kostüm der preußischen Armee beimaß. Der Siebenjährige Krieg hatte seinen mächtigen Einfluß bis auf die Haartracht erstreckt, und wer sie hätte ändern wollen, hätte ein Majestätsverbrechen begangen. Der mächtige Einfluß der fran­zösischen Revolution dagegen hat diese Änderung ermöglicht, denn,