Heft 
(1907) 16
Seite
430
Einzelbild herunterladen

430

.15. (4. ordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.

Förderung dieses, die Allgemeinheit so lebhaft interessierenden Faches vom Bau und der Geschichte der Erde diente. Ihre Vertretung an den Universitäten ist mit der ganz heterogenen Palaeontologie oder mit der Mineralogie verknüpft, und jede Universität in Deutschland hat nur eine derartige Stelle. Auch hier werden wie in der Chemie und Physik fast nur noch Lehrstühle für die technischen Zweige der Wissenschaft ge­schaffen. Dali in diesen Fächern die Zersplitterung der Lehrkräfte der Wissenschaft wenig dient und die konkurrierende Verdoppelung umfang­reicher Lehrsammlungen bisweilen in benachbarten Gebäuden dem Staate ganz unnütze Ausgaben verursacht, sei hier nebenbei angedeutet. Die Zoologie, die als Hilfswissenschaft für die Medizin, die Hygiene, die Veterinärkunde, die Landwirtschaft, das Forstwesen, die Fischzucht, koloniale Kultur usw. in Betracht kommt, wird fast nur an diesen Berührungspunkten mit dem praktischen Leben gefördert. Dafür sind gerade in neuerer Zeit zahlreiche Institute und einzelne Stellen geschaffen worden, mit der Förderung der Zoologie als zentralem Stamme dieser praktischen Seitenzweige aber sieht es bei uns geradezu trostlos aus. Selbst in Berlin ist für dieses grolle Fach, abgesehen von den Beamten des zoologischen Reichsmuseums, die durch die Ordnung und Verwaltung der großen Materialien ganz in Anspruch genommen sind, nur eine einzige etatsmäßige Vollstelle vorhanden, und auch diese dient vorzugs­weise dem Unterricht der Mediziner. Ich will gar nicht an amerikanische Verhältnisse denken, sondern nur die entsprechenden Zahlen aus Paris nennen, wo schon vor.fahren der einen Stelle in Berlin fünf Ordinariate mit ebensoviel selbständigen Arbeitsinstituten und drei Extraordinariate gegenüberstanden, auch hier abgesehen von den zahlreichen Museums­stellen und den zoologischen Professuren in der medizinischen Fakultät. Dekorative Namen weisen unsere Universitätsverzeichnisse allerorten in Menge auf, aber die Förderung des Faches von seiten des Staates ist jetzt wirklich auf ein so bescheidenes Maß reduziert, daß dabei die Wissenschaft unmöglich gedeihen kann.

Wenn aber das Fach selbst so wenig gefördert wird, woher sollen dann noch tüchtige geschulte Kräfte für die praktischen Stellen her- kommen, und wie sollen diese vom Fach selbst neue wissenschaftliche Nahrung und Anregung erhalten! Die Aussichten für junge Zoologen sind bei uns so überaus trostlos, daß man sich wundern muß, daß sich überhaupt noch opferwillige Dozenten diesem Fache widmen. Und man glaube nicht, daß die in praktischen Stellen untergebrachten für die Förderung des Faches noch wesentlich in Betracht kämen. Sobald sie dem preußischen Verwaltungsapparat eingefügt sind, haben sie nicht nur räumlich die Fühlung mit ihrer Fachwissenschaft verloren, sondern sind auch durch ihre speziellen Aufgaben vollständig in Anspruch ge­nommen.