Heft 
(1907) 16
Seite
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Friedrich Wienecke.

dann schritt er zum Aufbau der Silben, Wörter, Sätze etc. Das Lesen ging dem Schreiben voran. Um das Bild des einzuprägenden Buch­stabens durch Phantasie und Erkenntnis zu erfassen, schlug er den Weg der ingeniösen und genetischen Entwicklung ein. Er unterschied die Druckbuchstaben in solche, die aus einem Strich, zwei oder drei Strichen bestehen und verfuhr in folgerder Weise: Der Strich mit einem Punkt

war das i, mit dem lloru das l, mit dem Kopf das k, mit dem Quer­strich das t etc. Zwei Striche, oben verbunden, hiellen «, unten ver­bunden u, oben und unten verbunden o etc. Von dem o wurden d, g, v, a, p etc. abgeleitet. Drei Striche, oben verbunden, bildeten das in, zwei oben, zwei unten verbunden, das w; daran schloß sich das ch etc. .Weil das Behalten der Form und des Namens mit unterstützt wird durch die Farbe, so erschienen die Buchstaben farbig; dem fleißigen Kinde schenkte er bei guten Leistungen Buchstaben, die aus Pappe geschnitten und mit Gold- oder Silberpapier beklebt waren.

Wenn nun später in den Berliner Parochial- und Armenschulen nach den Aussagen Gedikes unterrichtet wurde: l heißt l, weil der Strich ein Horn trägt, x, weil das r ein Häkchen hat, n, weil die beiden Striche oben geschlossen sind etc., so ist das ein Mißbrauch aus Unverstand, gegen den keine Methode, sei sie auch noch so gut, geschützt ist. (Man denke nur an die Zahlenbilder, von deren Kennen und Nichtkennen die Arbeit in der Schule abhängig gemacht wurde: fünf sieht so aus: zwei oben, zwei unten, eins in der Mitte.) Wenn Gedike diese Verunstaltung der Methode tadelt, so hatte er recht; wenn er aber Ilähn dafür verant­wortlich machte, so hatte er unrecht. Iu Wirklichkeit ist auch er in seiner Wortmethode Hahn gefolgt. Denn auch er läßt den Laut aus dem Wort erkennen, nur erscheint der Laut in seiner Fibel, der erlernt werden sollte, in rotem Druck.

Der wissenschaftliche Unterricht bot keine Abweichungen. Das Seminar war der deutschen Schule angegliedert, und den Seminaristen war es gestattet, auch an den Stunden in der Realschule teilzunehmen. Im methodischen Unterrichte galt als Grundsatz,gerade so zu unter­richten, wie es bei Kindern geschieht. Deshalb hielt der Inspektor, bezw. der Seminarlehrer die Lektionen mit den Seminaristen wie mit Kindern und gab gleichzeitig die nötigen Begründungen. Die Seminaristen hatten die Lektion sofort mit ihren Kollegen in der Klasse nachzuhalten, auf Stuben in Gruppen zu üben und auszuarbeiten. Der Inspektor nahm sie auf seinen Gängen durch die Schulen mit. Die Seminaristen hörten zu, machten Notizen und hielten selbst die Lektionen. Ferner mußten sie schriftliche Entwürfe fertigen, in ein Heft eintragen und dies dein Inspektor vorlegen, um spätergeeignete Muster zu haben. Als Hecker 1753 eine laufende königliche Unterstützung von 600 TI. erhielt, fand eine Scheidung der Lehramtskandidaten in Seminaristen und Präparanden