Heft 
(1902) 10
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19. (9. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

aus der Flasche einen Wein, der in derselben enthalten war, in ein Glas, das er in der Hand hielt, und trank den Wein auf uns herunter grüssend aus, Dann warf er das leere Glas hoch in einem Bogen in das Eichenhaag hinüber, dass es in den Aesten zerschellte. Hierauf reichte er die Flasche dem zunächst hinter ihm auf dem Brette stehenden, welcher sich auch ein Glas schenkte, austrank, und das Glas in den Eichenhaag warf. Und so thaten alle hintereinander auf dem Brette stehenden Gewerksgesellen, bis es auf den letzten kam. Dieser nahm die Flasche, die bei ihm leer geworden war, zu sich. Die leere Flasche wurde dem Bauherrn übergeben, weil in sie Dinge verschiedener Art gethan, sie dann verschmolzen und in den Grundstein vergraben werden sollte, wenn man sein Fest feiern würde.

Einige Zeit darauf wurde das Fest der Gründsteinlegung des Hauses gefeiert.

Es waren ungefähr die nämlichen Menschen zugegen, wie damals, da der Zimmermannspruch bei der Aufstellung des Dachstuhls abgehalten wurde. Man öffnete die Marmorplatte des Steines, der unter dem Haupt­eingange lag. Unter der gehobenen Marmorplatte kam ein hohler Würfel, ebenfalls aus Marmpr, zum Vorscheine, der durch eine sehr starke Glas­platte geschlossen war. Als man auch diese Platte gehoben hatte, zeigte sich der hohle Raum, der bestimmt war, die Gedenksachen, die man hinein thun wollte, aufzunehmen. Der Raum war ganz mit Glas, welches nämlich gar keiner Art Fäulnis unterliegt, gefüttert.*) Man stellte die Flasche, aus welcher der Zimmermann bei seinem Daehstuhlspruch Wein eingeschenkt hatte, in den hohlen Raum. In der Flasche waren alle Silber- und Gold­münzen enthalten, welche jetzt gangbar sind, und ihr Gepräge war von dem letzten Jahre, dann war ein viereckiges Goldstück dabei, eigens zu dem Zwecke gemacht, dass darin der Jahrestag der Grundsteinlegung geschnitten wurde**), dann lag noch ein Pergament in der Flasche, auf welchem die notwendigen Dinge des Herganges aufgeschrieben waren. Die Flasche ist am Munde ihres Halses mit einem Glasstück zugeschmolzen worden. Da dieses Denkmal hineingestellt worden war, legten viele der Anwesenden aueh noch Dinge dazu, die sie entweder schon deshalb mitgebracht hatten, oder die ihnen erst jetzt einfielen. Ein Buch, einen kleinen Ring, eine Mundschale von Porzellan, einen Uhrschlüssel, beschriebene Blätter, einer warf eine Rose hinein, die er aus einem Gewächshause mit hierher gebracht hatte, und die

*) Dies gilt nur von Hohlgläsem (Flaschen, Phiolen u. dergl.), nicht von Glas­platten, insbesondere Fensterscheiben, die, wie ich bei Ausgrabung von Fenster­scheiben in Kirchenruinen pp. in den verschiedensten Gegenden, auch ln der Provinz Brandenburg gesehen, ganz amorph, bröcklich und braunschwarz werden, dass man die Masse kaum für Glas halten möchte. Ferner kommt es auf die Zusammensetzung an; hartes Krön- oder Flint-Glas hält sich besser in der Erde als weiches bleiiges Glas. Manche Glasschlacken wittern so seltsam aus, dass man sie für natürliche Erzeugnisse, sogar als Meteorite gehalten hat, wie die in gewissen Strichen Böhmens und Mährens vorkommenden, Moldavite genannten Rückstände alter Glashütten.

.E. Friedei.

**) Eine quadratförmige sogenannteKlippe; die Schrift darauf verläuft nicht parallel zu den Randen, sondern rechtwinklig quer durch. E. Friedei.