Heft 
(1902) 10
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19. (9. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.

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(1780) zeigt ausserdem, wie absprechend er über die poetische und historische Litteratur seines Volkes im allgemeinen urteilte. Man weiss auch, welche Abneigung er hatte, den Künstlern zu einem Bildnis zu sitzen. Ihre Studien der Person des Monarchen musten sie z. B. bei einer Parade oder beim Manöver machen, wenn sie sich nicht auf flüchtige Erinnerungen verlassen wollten.

Der alte Schadow, der bekannte Bildhauer, erzählt in seinem BucheKunstansichten einer Selbstbiographie, die erst 1849 heraus­kam, dass die jungen Künstler im Mai 1780 früh morgens mit den ausrückenden Soldaten zum Thore hinausspazierten; sie fanden da lebende Wouwermans d. h. also wirkliche Scenen, die an Gemälde Wouwermans erinnerten.Die gelben Reiter u. A. kampierten im Freien. Chodowiecki nahm da seinen König, und es ist das Blatt: der König zu Pferde im Profil, das beste, was die totale Erscheinung wiedergiebt. Der alte Ziethen nahm den zweiten Rang etc. In Ermangelung besserer Bild­nisse des alten Fürsten hat Chodowieckis Reiterkonterfei Friedrichs II. später mehrere Künstler sichtlich beeinflusst. Aber diese Ungunst der Verhältnisse bezüglich künstlerischer Studien erklärt das niedrige Niveau der Berliner Historienmalerei bei Lebzeiten des Königs doch keineswegs. Mehr überzeugt die Thatsache, dass damals an ausgiebigen heimischen Talenten überhaupt Mangel war. Bernhard Rode, geb. 1725 in Berlin, Daniel Chodowiecki geb. 1720 in Danzig und allenfalls noch Frau Anna Dorothea Therbusch geb. Liszewska, geb 1721 zu Berlin, möchte ich die namhaftesten Kräfte nennen, die sich hier in Historien versucht hatten. Auch lag das herrschende Übel an dem geradezu kläglichen Zustand der Akademie der Künste, die unter dem Franzosen Lesueur nichts weiter als eine Zeichenschule bedeutete. Hierin hatte auch nach dem Tode Lesueurs 1783 die Berufung des Berliners Rode an die Spitze der Akademie zunächst garnichts ändern könuen; vielleicht hat sie nur das Selbstgefühl der heimischen Künstlerschaft moralisch zu stärken vermocht.

Kurz vor seinem Tode erwies Friedrich der Akademie noch die Wohlthat, dass er dem schwergeprüften Institut in dem Minister Freiherrn von Ileinitz einen thatkräftigen, viel vermögenden Kurator gab. Ileinitz soll es gewesen sein, der die Künstler sogleich naclidrücldichst auf die dankbaren vaterländischen Stoffe hinwies und durch dessen Förderung die erste akademische Kunstausstellung noch im Todesjahr Friedrichs des Grossen 1786 beginnen konnte. In das damals verbesserte alte Reglement der Akademie wurde u. A. die Abhaltung von Kunst­ausstellungen als eine dauernde Einrichtung in Berlin aufgenommen. Wie Gottfried Schadow und die zeitgenössischen Bildhauer seit diesem Jahre (1786) unaufhörlich an der monumentalen Verherrlichung des gestorbenen grossen Königs arbeiteten und ihre plastischen Modelle