19. (9. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.
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sonnenes und auch von altern Meistern Entlehntes zu gefälligen Kompositionen zu verbinden wusste. Seine Gruppierungen zeigen entschieden malerischen Geschmack. Seine Farbe ist die lichte, heitere der Rokokozeit. In seinen Historien wirkt er zumeist übersichtlich und verständlich, und er weiss auch Teilnahme für seinen Gegenstand zu gewinnen. Das ist sicherlich nicht alles, was zu einem wirklichen Historienmaler gehört; aber für jene Epoche erscheinen die Qualitäten Kodes immerhin beträchtlich. Es spricht für sein Können wie für die allgemeine Anerkennung, die er frühzeitig fand, dass er für den König ein von Pesne unvollendet zurückgelassenes grosses Gemälde, einen „Raub der Helena“ vollenden durfte. Chodowiecki besass von ihm — wie Nikolai in seiner Topographie von Berlin und Potsdam 1779 bemerkt — ausser einigen Bibelbildern, eine Historie, den Tod Kaiser Barbarossas vorstellend.
Rodes Stoffgebiet war also, wie Sie aus meinen flüchtigen Angaben schon entnehmen konnten, recht umfassend. Das Interessanteste für uns aber ist wohl: dass er für die heimische Malerei das vaterländische Gebiet inauguirt hat — wie gesagt, 50 Jahre vor Adolph Menzel. Dass die Kunstgeschichtsschreibung unserer Tage eine so erhebliche Thatsache verschweigen konnte, scheint mir im hohen Grade bedauerlich. Statt dessen hat sie freilich ein analoges Verdienst, welches sich ein Anglo-Amerikaner ungefähr um dieselbe Zeit erwarb, als eine künstlerische Grossthat gefeiert. Benjamin West und einige seiner Landsleute haben damals der Geschichte ihrer amerikanischen Nation geeignete Stoffe entnommen. Gebührt diesen Leistungen der Ausländer zeitlich und vom malerischen Standpunkt jedenfalls der Vorrang, so ist doch wohl daneben das Verdienst Rodes noch immer wenigstens der nachdrücklichen Erwähnung wert, obwohl von einem deutschen Autor es fast zu viel verlangt wäre, dem Propheten im eigenen Lande gerecht zu werden, also lediglich anzuerkennen, dass in den Tagen, da Winckelmann und Lessing die empfänglichsten Geister für das klassische Altertum fesselten und schliesslich selbst die Künstler allerwärts in diese formenstrenge ideale Richtung drängten, dass damals nicht nur in London die Amerikaner West und Copley nationale und moderne Geschichtsstoffe wählten, sondern auch einzelne unbeachtete preussische Maler in Berlin, die hier sogar eifrige Nachfolge fanden.
Vorläufig, da an der Hand unserer geringen Kenntnis der Werke Rodes die Frage der englischen Priorität und künstlerischen Überlegenheit nicht absolut zu entscheiden ist, sind wir genötigt, dem alten Schadow Glauben zu schenken, der das Berliner Historienbild von jener englisch-amerikanischen Richtung ableitete. Trotzdem möchte ich die Möglichkeit nicht ganz abweisen, dass der damalige Realismus der Berliner Maler ein später Ausläufer der ältern niederländischen