60
Zwei Reliquien der Quitzowzeit.
Absicht, zur nordwestlichen Spitze seiner geliebten Mark zu kommen, um durch eigenen Augenschein sich vom Vorhandensein zweier Erscheinungen zu überzeugen, die selbst dem vielerfahrenen Wanderer in der Mark unvorstellbar erschienen. Leider traten dem Gealterten immer wieder Hemmnisse in den Weg. Und auch der Erbe des Fontaneschen Geistes, Dr. Franz Otto Gensichen in Berlin, sali sich trotz wiederholt geäusserten Vorsatzes, des werten Entschlafenen Absicht seinerseits auszuführen, bisher nicht in der Lage, species facti aufzunehmen.
Da, weil die Möglichkeit in der Luft schwebt, dass die betreffenden miracula eines schönen Tages wirklich still von der Bildfläche verschwunden sind, mache ich mich selbst daran, der Eigenschaft als Folklorist Folge leistend an jener grösseren Forscher und Erzähler Stelle zwei merkwürdige Stücke einheimischer Vorzeitlichkeit vorzuführen.
1. Der Schlagbaum im Sande.
Nur wenige Kreis-Kunststrassen giebt es noch in preussischen Landen, auf welchen ein Chaussee-Schlagbaum den Reisenden bezw. Viehtreiber mit Verdruss erfüllt. Und bald wird den Ausgaben der Schillerschen Gedichte für den Passus im „Poeten“:
Der König sperrt die Brücken und die Strassen Und spricht: Der Zehnt’ ist mein!
eine kommentierende Note beigefügt werden müssen, soll anders die deutsche Zukunftsjugend solche Poesie verstehen. Immerhin ist es zur Zeit noch möglich fiskalische Wegesperrung nebst Wege- u. s. w. Zoll vom Staat, von der Provinz, vom Kreise ausgeübt, verständlich zu finden.
Aber das muss jedermann im Übergangsjahre vom 19. zum 20. Jahrhundert als Mythe erscheinen, dass es im ältesten Teile des deutschen Hohenzollern-Reiches, im brandenburgischen Stammlande Preussens auf der uralten Rethrastrasse, dem grossen Post- und öffentlichen Verkehrswege zwischen den beiden grössten deutschen Städten Berlin und Hamburg im tiefsten märkischen Mahlsande einen Privatschlagbaum giebt, der Wagen, Pferd, Rind und Schaf zum Wegezoll zwingt!
’s ist aber der Fall: beim Forsthause Eldenburg nahe der Bran- denburgisch-Mecklenburger Grenze zwischen den Städtchen Lenzen hüben und Dömitz sowie Eldena drüben steht dieses Erbstück grauer Vorzeit, bei welchem der Förster oder des Försters Magd den des Weges Kommenden um den Obolus ersucht.