Heft 
(1902) 10
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Zwei Reliquien der Quitzowzeit.

Erinnerungsdenkmal an jene Quitzow-Unthaten ist das Pfarrhaus von Seedorf an der Löcknitzbrücke. Von ihm meldet die Sage: Der Juden­klemmer, von einer Bussfahrt nach Jerusalem heimgekehrt und den heimtückischen Nachstellungen seines brudermörderischen Sohnes glücklich entronnen, hat zur Sühne der über hundert Jahre wahrenden Misshandlung armer Wanderer beimSchlagbaum im Sande zuletzt diese fromme Stiftung gemacht. Er hat bei der Kreuzung von Wasser und Land seiner drei hörigen Dorfschaften Breetz, Seedorf, Eldenburg Kirche mit Pfarre und Schule errichtet, ist selbst Johanniterritter geworden und hat in seinem anno 1588 fertiggestellten Neuen Schlosse Eldenburg 365 Fenster anbringen lassen. Seine Nachkommen sollten jeden Tag im Jahre nach anderer Richtung ansschauen, ob sie, die Reichen und Mächtigen, zur Ausgleichung vielen alten Unrechts Armen und Gebrestigen gutes tliun könnten.

Ende gut, alles gut! Man sieht, Bischof und Graf Firmian von Salzburg hat hier einen norddeutschen Seitengänger. 1719 starb der letztegute Räuberquitzow, Kuno Hartwig, Erbherr auf Eldenburg, Rüstädt, Kletzke, Gottberg und Lübars, Johanniterritter. Eldenburg wurde als erledigtes Lehn von de Krone Preussens eingezogen, ward 1810 in der Franzosenzeit zur Deckung der Kriegskosten verkauft. 1881 am Gründonnerstag brannte das Schloss der 365 Fenster nieder. Der Neubau trägt Kasernenstyl. Der Lieblichkeit des Rundblicks vom Turm thut das nicht Abbruch.

Noch stellen die drei Wahrzeichen der alten Quitzowzeit: Der Schlagbaum im Sande, der Lug ins Land mit dem Eisenstuhl, das Pfarrhaus am Treffpunkt der Flussläufe Löcknitz und Eide auf sagen­umwobenenWildsaugrunde.

Wer sehen will, eile, ahme das Beispiel der Berliner Herren Direktor Görke (Urania) und Sökeland (Museum für Trachtenkunde) nach. Leicht könnte, wie 1888 Gefahr genug drohte, das andere Mirakel dieser Gegend dem ganzen Bestände ein schnelles Ende bereiten. Dieses andere menschenfeindliche Ding tritt in die Erscheinung als

II. Gottes Wasser über Gottes Land.

War No. I ein Kunstüberbleibsel der alten Zeit, bestanden geblieben in traumhaftem Konservatismus, so ist No. II einfachere Natur-Reliquie, die da war und ist und trotz der zur Zeit regen Wasserbaubestrebungen wohl noch eine gute Weile bleiben wird.

Da bekanntlich die Elemente hassen das Gebild der Menschenhand, könnte das alljährlich statthabende Nagen des Wassers jene vor­erwähnten drei Kunstbauten einmal unvermutet in ein nasses Grab senken. Letzthin die Jahre 1876, 1882, 1888, 1895, 1899 waren hierfür bedrohlich genug.