Heft 
(1902) 10
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Zwei Keliquien der Quitzowzeit.

glieder derselben auch in der Elb- und Löcknitzniederung? Ich kann berichten, dass seit 1876 bis zu seinem Tode Herr Dr. Fischer in Lenzen sich Notizen über Auftauchen von Malaria machte, die er seinem früheren Chef, Herrn Geh.-Rat Virchow, laut Verabredung im Sommer 1886 einsenden wollte. Fischers Tod riss plötzlich leider diesen Faden ab. Doch Dr. Fischers Nachfolger, Herr Dr. Brüning in Lenzen, ist durch eigene Beobachtungen, ohne etwas von des Verstorbenen Notizen zu wissen, auf Malaria-Urteil über die Elbniederung bei Lenzen gekommen! Dazu sind Masern, Scharlach, Diphtheritis seit 1876 endemisch geworden. Und während die Durchschnittsstatistik der Kindersterblichkeit für Totgeborene nebst Gestorbenen im 1. und 2. Lebensjahre 23% bis 25% der Todesfälle zu betragen pflegt, stellt sich dieselbe für die 25 Jahre seit 1876 in den 3 Kirchspielen der Lenzener Elbniederung der Art:

12 wilde Überschwemmungsjahre : 35,7%

12 milde Nichthochflutjahre : 31,6% Frühsterblichkeit.

Ganze Jahrgänge von Schulkindern fehlen bisweilen; und die übriggebliebenen leiden an nervösen Zuständen bedenklichster Art.

Unlust, hierselbst wohnen zu bleiben, ist viel zu viel in die orts­anwesende Bevölkerung eingeschlichen. Arbeiter herzubekommen hat für Besitzer grössere Schwierigkeit als anderswo. In Dorf Breetz auf den einst reichen Herrensitzen, steht etwa die Hälfte der Wohn- räume leer. Kirchspiel Seedorf, das wasserum- und durchflossene, zählte im Jahre 1875 rund gerechnet 800 Seelen; 3 Schulen waren darin, darunter die in Dorf Eldenburg mit 83 Kindern. Heute zählt die Gemeinde 537 Seelen, die Schule in Dorf Breetz ist eingegangen, die 2 andern Schulen zählen 31 bez. 33 Kinder.

Geht es noch längere Zeit so weiter, dassGottes Wasser über Gottes Land, dann ist Aussicht auf Wiederkehr der Quitzowzeit, da die Burgvasallen auf der Eldenburg freie Land- und Wasserjagd unter Treiberbeihilfe der Hörigen aus den Pfahlbauten und Wurtenhäusern der Lenzener Wische zu eigen besassen.

Der Touristenklub der Mark Brandenburg widmete dem Anblick dieser Wasserwüstung im Jahre 1892 eine Oster- und Pfingstfahrt. Herr Direktor Görke nahm zur Pfingstzeit 1899 Bilder für die zur Zeit Urania, Taubenstrasse, dargestelltenCharakterbilder in der Mark davon auf.

Wers in natura kennen lernen will zugleich mit einigen Bau­reliquien der Quitzowzeit, als da sind Rauchhäuser ohne Schornstein, Blockbauten, Strohkathen, Weidenflechtzäune, Lehmfachwände: Eile thut not wer kann wissen, ob der Art Interessantes nach 25 Jahren noch anzutreffen ist?! E . Handtmann.