Der Urspruug des märkischen Backsteinbaues.
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Vorsicht zu gebrauchen, weil ja zweifellos gleiche Formen aus einer gleichen Stimmung, aus gleichen Bedürfnissen gelegentlich an verschiedenen Orten gleichzeitig entstehen können. Es gilt das besonders für die mittelalterliche Baukunst, in welcher die Forderungen der Technik äusserst einflussreich für die Ausbildung der Formen sich erweisen. Als beweiskräftig können wir daher eine Übereinstimmung von Formen nur ansehen, wenn sie sich in vielfältigen Einzelzügen gleichmässig wiederholt, noch mehr, wenn sie uns durch die Übereinstimmungen die Erklärung giebt für Formen, welche an der einen Stelle als ganz willkürlich und unerklärlich erscheinen. Gerade für die vielen Besonderheiten des Backsteinbaues erscheint der Weg dieser Formvergleichung besonders aussichtsreich. Die Umschau nach solchen übereinstimmenden Formen wird sich für uns erstrecken müssen über ganz West-Europa, da ja ganz Europa von den Römern den Backsteinbau gelernt und überkommen hat.
Wir finden thatsächlich weite Gebiete des Backsteinbaues in Spanien, in Süd-Frankreich, am Oberrhein und am Niederrhein. Wir sehen den Backsteinbau auch auftreten in England. In all diesen Gebieten aber finden wir nirgends Besonderheiten der Formen, die den unseren ähnlich sind. Auch in Ober-Italien, einem der Hauptgebiete mittelalterlichen Backsteinbaues finden wir ein Gebiet grossartiger Denkmäler in Venedig und Umgegend, ein anderes in Piemont, das mit unserer heimischen Baukunst wenig oder keine Vergleichspunkte bietet. Aus dieser weiten Verbreitung des Backsteinbaues im Mittelalter allein können wir aber doch für unsere Gegenden die Nutzanwendung ziehen, dass nicht das plötzliche Auftreten des Backsteinbaues an sich, sondern die enge Verbindung mit den eigenartigen Formen das ist, was für die Herleitung unserer Kunst als massgebend angesehen werden muss.
Ein reichliches Material zur Erkläning der Vorgänge, die uns beschäftigen, findet sich im Gegensatz zu den eben genannten Ländern in der Lombardei und in der südlich angrenzenden Emilia.*) Es muss geradezu wunderbar erscheinen, dass die reichen Reste einer entwickelten Backsteinkunst in diesen Ländern bis vor kurzem kaum beachtet und wissenschaftlich garnicht verarbeitet worden sind. Wir finden dort eine Bauweise, die sich in der Behandlung fast aller Einzelformen auf das genaueste mit unseren norddeutschen Backsteinbauten deckt. Wir sehen dort genau die gleiche Durchbildung der Bogenfriese, genau die gleiche Ausbildung der Fensterbögen in mehrfach wechselnder Art und zwar finden wir eine Behandlungsweise, die bei uns nur durch Malerei
*) Ausführlich behandelt in 0. Stiehl: Der Backsteinbau romanischer Zeit- Leipzig, Baumgärtner 1898.