Heft 
(1902) 10
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Tangermünde.

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vielen kaum dem Namen nach bekannt ist, als ehemalige Grenzfeste sowie Haupt- und Residenzstadt der ersten Verweser der Altmark resp. Mark Brandenburg eine wichtige Rolle in der Geschichte der Mark spielte.

Jedoch nicht hiervon will ich sprechen, sondern von einem Begebnis, das sich in der Nähe von Tangermünde zu jener Zeit zugetragen hat, an welches noch heute der betreffende Name des Thatortes erinnert.

Es war im Jahre 1003. Werner von Walbeck, dem vom Kaiser Heinrich II. das Amt als Verweser der Mark Brandenburg übertragen worden war, residierte in Tangermünde und besass die besondere Gunst des Kaisers. Auf einer Reise, die dieser nach Werben a. Elbe, auf welcher ihn Werner zu begleiten hatte, unternahm, soll er sich aber die Gunst seines hohen Gönners dadurch verscherzt haben, dass er unverhohlen seinen Unwillen äusserte über die Schenkung der Stadt Arneburg an den Erzbischof von Magdeburg durch den Kaiser.

Werner hielt nämlich diese That für einen Eingriff in seine, Werners, Privatrechte insofern, als Arneburg zu seinem persönlichen Gebiete gehörte resp. in demselben lag und einem Verwandten von ihm gehört hatte.

Werners Gegner und Todfeind, der gleichfalls zum Hofstaate Kaiser Heinrichs II. gehörige Graf Dedo von Wettein (Wettin), der die Äusserungen Werners gehört hatte, hatte nun nichts eiligeres zu thun, als sie dem Kaiser in verleumderischer Weise zu hinterbringen, als trüge sich Werner mit hochverräterischen Plänen. Nur eine Erkrankung Werners hinderte den Kaiser, den Einflüsterungen Dedos von Wettein nachzugeben und die Untersuchung gegen ihn einzuleiten. Nicht genug aber mit der Verleumdung, benutzte auch Dedo die Zeit der Erkrankung Werners, um die diesem gehörige Stadt Wolmirstedt in Brand zu stecken.

Anstatt sich auf legalem Wege Genugtuung zu verschaffen beschloss nun Werner, sieb selbst zu rächen. Zu diesem Zwecke verband er sich mit seinem Vetter Friedrich von Walbeck und legte sich mit diesem sowie einer Begleitmannschaft von 20 Reisigen in der Gegend von Tangermünde in einer Waldschlucht in einen Hinterhalt, von welchem aus er dann den des Weges kommenden Grafen Dedo überfiel, dessen noch einmal so grosse Begleitmannschaft schlug und Dedo mit eigener Hand tödtete.

Im Volksmunde nennt man diesen Ort noch heute dasMordthal.

Nachstehendes Gedicht schildert diesen Überfall wie folgt:

Das Mordthal bei Tangermünde.

Was jagen die Reiter dort sonder Rast?

Es stürzen die keuchenden Rosse fast,

Als wenn des Jägers des wilden Heer Wohl hinter den fliichtgen Gesellen war.