Heft 
(1902) 10
Seite
214
Einzelbild herunterladen

214

9. (7. ausserordentliche) Versammlung des X. Vereinsjahres.

z. B. erkennt inan den Herrn Oberbürgermeister Koeltze, den Herrn Oberpfarrer Recke und Herrn Neupert.

Am Ufer der Havel entlang und über mehrere Brücken hinweg gelangten wir vor das Thor der Citadelle. Massig und steil erheben sich die Mauern bis zu einer bedeutenden Höhe aus dem Wasser. An einer Stelle sieht man den Juliusturm mit seinem Zinnenkranz darüber hinwegragen. Vor unserem Eintritt gab Herr Neupert die merk­würdigsten Daten aus der Geschichte dieses wichtigen Bauwerkes. Eine Insel in der seeartig erweiterten Havel hat den Baugrund für die Feste gegeben, der nur durch einige Nachhilfe noch verstärkt wurde. Natürlich haben die Gebäude und ihre Bedeutung im Laufe der Zeit mannigfache Umänderung erfahren. So finden wir hier unter den askanischen und bayrischen Markgrafen ein festes Schloss, das ihnen häufig zur Residenz diente, so dass Berlin erst unter den Hohenzollern an seine Stelle trat, wodurch Spandau natürlich an Bedeutung verlor, und von nun ab höchstens noch Witwensitz, für gewöhnlich aber Staatsgefängnis war. Die Kurfürstin Elisabeth, Gemahlin Joachims 1. verlebte hier ihre Witwenjahre, und die schöne Giesserin musste hinter den Mauern die Tage der Lust und des Glanzes abbüssen und starb hier 1575. Ein Staatsgefangener ganz anderer Art war Eberhard v. Dankelinann, welcher von 1698 bis 1700 hier in Untersuchungs­haft sass.

Aber noch mehr als mit der Kulturgeschichte ist die Stadt und die Festung mit der Kriegsgeschichte der Mark verknüpft. Im dreissig- jährigen Kriege war sie zuerst von Gustav Adolf besetzt gehalten; nach dem Abfall Brandenburgs an Schweden residierte hier zeitweise Graf Adam von Schwarzenberg als Statthalter. Im siebenjährigen Kriege wurde die Citadelle im Jahre 1757 die Zufluchtsstätte der Königin Elisabeth Christine, und in den Napoleonischen Kriegen hielten sie einige Zeit lang die Franzosen besetzt, nachdem der Major v. Bennekendorf am 25. Oktober 1800 die Festung und Citadelle ohne einen Schuss abgefeuert zu haben, den Franzosen ausgeliefert hatte. Freilich war die Festung nicht in gutem Zustande; und das erste, das Napoleon anordnete, als er am 27. Oktober durch die Stadt geritten war und sie besichtigt hatte, war eine Erneuerung und Vervollständigung der Werke. So wurde die Festung und die Citadelle Ende April 1813 von den Franzosen ernsthaft verteidigt, und die Besatzung ergab sich erst als die Stadt in Brand geschossen und eine Bastion der Citadelle in die Luft gesprengt worden war. Das bescheidene Denkmal neben der Nicolaikirche nennt die Namen der dabei Getöteten.

Nach diesem Vortrage betraten wir das Innere der Citadelle. Die Befestigungen, die in ihren Grundzügen noch von Rochus von Lynar stammen, umschliessen einen ungefähr quadratischen geräumigen Hof