Heft 
(1902) 10
Seite
242
Einzelbild herunterladen

242

Pr. Gustav Albrecht.

ging die Geschichte los und wiederholte sich dann so ziemlich auf jeder Station. Der Zug hielt, setzte seine fülligen Fahrgäste ab und schob sich dann in langsamem Tempo nach rückwärts. Plötzlich gab es einen Kuck, der Zug hielt und hinten am Ende desselben rollte ein einsamer Güterwagen in die Natur. Nun gings wieder vorwärts bis zum Stationsgebäude, wo neue Passagiere eingenommen wurden, und dann unter Prusten, Zischen und Klingeln weiter bis zur nächsten Haltestelle. Man fährt sein Geld wenigstens ab bei dieser beständigen Vor- und Kückwärtsbewegung, und das ist für manchen sicherlich ein grosser Trost.

Sobald der Zug bei Tiefensee das Gebiet des Blumenthal erreicht hat, entschädigt der Ausblick auf die schöne Landschaft die Reisenden für die bisherige Fahrt. Am Rande eines bewaldeten Abhangs geht es entlang. Tief hinunter blickt das Auge auf Kiefern und Buchen, zwischen denen Wachholderbüsche in mannigfachen Formen auftauchen, und dann senkt sich das Gelände auch auf der andern Seite: auf hohem Bahndamm fährt man zwischen zwei blauen Seen hindurch. Tief unten liegen sie, der Lange See und der Mittelsee, in langer Mulde hingebettet, und rundum steigen die bewaldeten Höhen empor und umgeben die blauen Edelsteine mit dunkelgrüner Einfassung. Ein prächtiger Blick, der an die Waldseen des Hochgebirges erinnert. Es ist ein Teil des berühmten Gamengrundes, der sich so ziemlich an der ganzen westlichen Seite des Blumenthal entlang erstreckt und sich durch herrliche Landschaftsbilder auszeichnet.

Die Bahn fährt auf dem Hochplateau weiter, bald zwischen Hügel­rücken versteckt, bald am Rande eines Abhangs, und die Scenerie wechselt mit jeder Windung der Strecke. Meist verhindert Kieferngehölz, teilweise mit Buchen und Birken gemischt, eine weitere Aussicht, dann gestattet wieder eine Schlucht oder eine Lichtung einen Durchblick oder ein kleiner See erscheint und verschwindet wieder, bis endlich die Station Sternebeck erreicht ist.

Vom Bahnhof zum Dorf ist es nicht weit. Ein kurzer Weg auf an­steigender Berglehne führt in den Ort hinein, in dessen Mitte sich die im Anfang des 18. Jahrhunderts erbaute Kirche erhebt. Wir hatten eigentlich die Absicht, das Innere des Gotteshauses und die alte Glocke mit ihrer sonderbaren Inschrift (vgl. Monatsblatt VI. S. 181 ff) zu besichtigen, da aber der Lehrer des Orts über Land gegangen war und den Kirchschlüssel wohlweislich mitgenommen hatte, so mussten wir unsere Forschungsgel üstc zügeln und konnten nur durch ein halberblindetes Fenster einen Blick in die Kirche werfen. Viel war nicht zu entdecken, nur eine Inschrift an der Rückwand des Altars konnte entziffert werden. Sie lautet:

Sobalt §err Philip Frantz Laging unb befeett ®£)e grau fr. Anna Louisa Präetoria bafj Scfjngut Sternbecf ©rblirf) anfidj gebraut batten, liefen fte ftd) bie (Srfte Sorge fet)n, unter anbern biefc ganje roüfte unb ruinirtc Ätrdje 31t bauen ba bann beten grau pflege Mama fr.