Heft 
(1902) 10
Seite
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Dr. Gustav Albrecht.

Blumenthalsee und zum Faulen See fort. Beide Seen liegen sehr hübsch in waldiger Umrahmung und haben klares, binsenfreies Gewässer. In dem grösseren von beiden, dem Blumenthalsee, soll der Sage nach eine Stadt versunken sein und an hellen Tagen hört man eine liebliche Musik aus dem Wasser herauftönen, die kommt aus der versunkenen Stadt. Zu­weilen schwimmt auch ein grosser Koffer auf dem See, aus dem tönt eben­falls Musik von Flöten und Geigen. Schon mancher Fischer hat ihn haschen wollen, aber die Netze oder Stricke, mit denen man den Koffer umfing, rissen entzwei, und verschiedene Leute haben ihren Vorwitz mit dem Tode gebüsst. Der Blumenthalsee fordert, wie so mancher andere See in der Mark, alljährlich sein Opfer. Am Neujahrmorgen, wenn eine Eisdecke den See liberzieht, sind lange Leinen Uber das Eis ausgespannt und daran hängt die schönste Wäsche von dem feinsten, weissesten Linnen. Eine alte Frau, die von der Wäsche nehmen wollte, geriet in Gefahr zu ertrinken und konnte nur mit Mühe von den Fischern gerettet werden. Auch an dem Faulen See, der seinen Namen vermutlich wegen der träge schlummernden Oberfläche seines Wassers hat, geht es um. Das ist die wilde Jagd, die von der altenStadtstelle her vorüberbraust und durch den Dachsgrund nach demTeufelssitz zu verschwindet. Auch hier wieder Überbleibsel an einen alten heidnischen Kultus: der durch die Lüfte ziehende Donar (Woclc) sucht sein ehemaliges Heiligthum am Näpfchenstein auf.

Ein Gestellweg führt in südlicher Richtung vom Faulen See zur Stadtstelle, einem anderen sagenumwobenen Rätsel im Geriete des Blumenthal. Bevor wir die Stelle erreichten, kamen wir an einer einfachen Ilolztafel vorüber, welche meldet, dass hier am 23. Januar 1823 der letzte Wolf von dem Bürgermeister Fubel aus Straussberg auf einer Treibjagd erlegt wurde.*)

Etwas westlich von diesem Ort beginnt das Gebiet derStadtstelle, wo der Tradition nach die alte Stadt Blumenthal gestanden haben soll. Über diesen der Aufklärung noch sehr bedürftigen Punkt der märkischen Lokalgeschichte ist bereits so viel gestritten und geschrieben worden, dass eine eigene Litteratur über dieStadtstelle im Blumenthal vorhanden ist**), aber Klarheit ist bisher noch nicht geschaffen worden. Fast jeder der Autoren, die sich über dieStadtstelle geäussert haben, nimmt an, dass im

*) Die Tafel nebst Inschrift ist im 7. Jahrgang des Monatsblatts auf Seite 200 abgebildet.

*+) Nachstehend stelle ich die bekanntere Litteratur über dieStadtstelle zusammen: E. Friedei, Archäologische Streifzüge durch die Mark Brandenburg. I. Der Blumenthal und seine Altertümer, in Zeitschrift für Ethnologie Bd. III (1871), S. 175197 (wo eine umfangreiche Litteratur verzeichnet ist). Th. Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg II (l'-fc), S. 40714; Trinius, Märkische Streifzüge II, 42 ft'.; Rieh. Nordhausen, Im Sande der Mark XI. (Feuilleton der Berliner Zeitung) Märkische Forschungen I, 121 ff. Als Quellen für diese Litteratur sind das Karol. Landbuch, Bekmann, Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg Teil I. S. 446 f. und Fischbach, Städtebeschreibung (1786) I, 473 f., der Bekmanns Nachrichten abdruckt, zu betrachten.