Heft 
(1902) 10
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12. (P. ausserordentliche) Versammlung des X. Vereinsjahres.

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Oberflächenwasser durch mächtige Schichten märkischen Sandes aller­dings keimfrei filtriert. Nun hätte man meinen sollen, dass nichts näher liegt, als dieses scheinbar einwandfreie Wasser aus der Tiefe zu heben, aber dieses Wasser enthält Eisen, welches sich in hässlichen braunen Flocken absetzt, wenn das Wasser mit der Luft in Berührung kommt; und ausserdem giebt es einer kleinen Alge Gelegenheit sich anzusiedeln und so gut zu gedeihen, dass sie schliesslich die Leitungsröhren ver­stopft. Doch ist man auch dieser Uebelstände Herr geworden, und Koch und seine Schule hat die Genugthuung, dass jetzt auch in Berlin das filtrierte Schmutzwasser des Müggelsees und des Tegeler Sees durch Tiefbrunnenwasser ersetzt werden soll, dessen sich Charlottenburg schon seit Jahren erfreut.

Sie sehen wohl, dass diese und ähnliche Arbeiten, an denen sich Koch mit ganzer Kraft beteiligte, zu einer völligen Umgestaltung der Hygiene geführt haben. Ausser Desinfektionsanlagen, Filterwerken und Tiefbrunnen wurden noch Rieselfelder als wichtige Elemente der Hygiene geschaffen, und es schliessen sich an: die Fleischbeschau, die Milch­hygiene und alles was in das Gebiet der Sterilisation gehört.

Noch während man mit diesen für unsere socialen Verhältnisse tief einschneidenden hygienischen Untersuchungen und mit ihrer Über­tragung in die Praxis beschäftigt war, mit Untersuchungen und Ein­richtungen also, welche zum Zweck hatten, die krankmachenden Orga­nismen von unserem Körper fern zu halten, begann R. Koch seine Arbeiten zur Heilung der ansteckenden Krankheiten. Das be­deutete, um in dem schon gebrauchten Bilde zn bleiben, den Krieg gegen Organismen, welche sich schon im Körper des Menschen, oder auch der höheren Tiere, angesiedelt und ihn krank gemacht haben. Damit begann die dritte Epoche der Thätigkeit R. Kochs.

Diese Arbeiten hatten den erstaunlichen Erfolg, dass Koch in dem von ihm dargestellten Tuberkulin der Welt ein Mittel schenkte, mit welchem man thatsächlich im Stande ist, beginnende Tuberkulose zu heilen. Es war diese Entdeckung eine That von weltgeschicht­licher Bedeutung, weil das Tuberkulin ein specifisches Heilmittel ist, d. h. ein solches, welches seine volle Wirksamkeit nur gegen eine ganz bestimmte Krankheit entfaltet, wie z. B. das Chinin gegen das Wechselfieber. Solcher specifischer Heilmittel waren bisher nur drei bekannt; das Chinin, das Quecksilber und das Jod. Koch fügte also diesen dreien ein viertes hinzu, das Tuberkulin, welches sich a ber seiner chemischen Zusammensetzung nach wesentlich von den anderen unterscheidet, weil es aus den Krankheitserregern, den Tuberkel­bazillen selber hergestellt wird. Mit seiner Entdeckung war wieder eine neue Bahn gebrochen, denn der Analogieschluss lag auf der Hand, dass es auch bei anderen bakteriellen Krankheiten specifische Heilsubstanzen