Heft 
(1902) 10
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12. (9. ausserordentliche) Versammlung des X. Vereinsjahres.

ganz besonders ist dieses der Fall bei pestkranken Ratten, welche unter dem Einfluss ihrer Krankheit nicht mehr wissen was sie thun, deshalb ihre Scheu vor dem Menschen ablegen und am hellen Tage herumlaufen, wo sie sonst nur unter dem Schutze der Nacht ihr Wesen treiben. Überall streuen sie dabei die Pestbazillen aus. Das erklärt wohl zur Genüge, weshalb es so schwer ist, sich gegen die Ansteckung zu schützen, weil man nicht wissen kann, wo die Ratten gehaust haben.

Wenn wir uns also gegen die Pest schützen wollen, so müssen wir zuvörderst die Ratten nach Möglichkeit vertilgen. Das sieht man jetzt sogar an jenen Orten ein, wo man bisher die Thäterschaft der Ratten leugnete, wie z. B. in Alexandrien. Seit drei Jahren kommen dort immer wieder kleine Gruppen von Pestfällen vor, aber erst jetzt fängt man an die Anwesenheit und Thätigkeit der Ratten zu würdigen. Hoffen wir aber, dass auch unsere Regierung sich dieser Auffassung anschliesst und bei Zeiten den Ratten den Krieg erklärt. Tn Hafenstädten hat man schon begonnen, auf pestverdächtigen Schiffen gegen diese Tiere zu Felde zu ziehen, trotz der sehr bedeuten­den Kosten, die besonders dadurch entstehen, dass durch die Mittel, welche man zur Vernichtung der Ratten auf einem voll beladenen Schiffe anwendet, oft ein erheblicher Teil der Ladung schwer beschädigt wird, wofür Schadenersatz zu leisten ist. Wichtiger noch erscheint es, zu Lande die Ratten zu bekämpfen; doch das ist viel schwieriger, weil die Ratten einfach auswandern, wenn sie merken, dass ihnen nach­gestellt wird; und nachher kommen sie wieder.

Dass jetzt schon in unserem Institute an allen die Pest betreffenden Fragen sehr eifrig gearbeitet wird, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Es ist sogar zu diesem Zwecke eine eigene Abteilung für besonders gefährliche Krankheiten von der wissenschaftlichen Abteilung abgetrennt und Herrn Prof. Ko Ile unterstellt worden.

Hiermit glaube ich nun, Ihnen ein leidlich anschauliches Bild von der Entwickelung des Königl. Preussischen Institutes für Infektionskrankheiten gegeben zu haben. Sie werden daraus den Eindruck gewonnen haben, dass auf unserem Arbeitsfelde schon einiges geleistet worden ist, dass aber noch sehr viel Arbeit vor uns liegt. Sie werden aber auch gesehen haben, dass wir nicht speciell Bakteriologie treiben, dass wir auch w r eder reine Hygieniker noch reine Kliniker sind, dass wir aber alle diese Gebiete beherrschen müssen, um ihre Errungen­schaften, an denen wir selber beteiligt sind, zur Erreichung unseres Zieles, der Ausrottung der Infektionskrankheiten, mit Erfolg auszunutzen. Diese neueste Richtung der ärztlichen Thätigkeit ist die eigenste Schöpfung des Direktors des Institutes, eines Robert Koch, dem die Muniiicenz Sr. Majestät Regierung diesen stattlichen Neubau