15. (10. ausserordentliche) Versammlung des X. Vereinsjahres.
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Die Methoden der Aufbewahrung sind im Laufe der Zeit mehr und mehr vervollkommnet worden. Am längsten haben die getrockneten Präparate ausgehalten. Wie überall lieferten trockene Knochen den ersten Untergrund; die Geschichte der Volkskrankheiten findet darin das sicherste Beweis-Material. Die syphilitischen Veränderungen der Knochen gestatten einen schnellen Ueberblick über die Verbreitung dieser scheusslichen Krankheit in den verschiedenen Jahrhunderten. Aber auch die künstliche Injektion der Gefässe, das Aufblasen und Trocknen von Hohlorganen sind schon früh mit grossem Geschick betrieben worden. Selbst Erkrankungen der Weichteile gestatten durch Eiutrocknen eine lange Aufbewahrung. So findet sich in dem Museum eine kleine, aber höchst lehrreiche Sammlung von getrockneten Darm- Präparaten aus der ersten Choleraepidemie (1832). Die kriegschirurgische Abteilung enthält wichtige Knochenpräparate, welche mit den Kriegen des 18. Jahrhunderts beginnen, Erinnerungen des Befreiungskampfes (1813) umschliessen und bis zu den Schlachten des dänischen, des böhmischen und des französischen Krieges reichen. Die Lehre von den Heilungen der schwersten Verwundungen wird dadurch in nützlicher Weise illustriert.
In dem Maasse, als die Kenntnis der konservierenden Flüssigkeiten sich erweiterte, ist dann die Aufstellung auch der veränderten Weichteile in glücklichster Weise ausgedehnt worden. Lange Zeit hindurch war es fast nur Spiritus (Alkohol), der dabei in Anwendung kam; auch als andere, mehr oder weniger antiseptische Stoffe, namentlich die Produkte der Theerindustrie, oder wirkliche Gifte (Arsenik, Sublimat, Blei- saize u. s. w.) herangezogen wurden, blieb der Spiritus das vorzugsweise verwandte Material, das auch durch das Formol nicht ganz verdrängt worden ist. Erst die neueste Zeit hat kompliziertere Methoden in Gebrauch gebracht, welche durch zweckmässige Mischung verschiedener Stoffe selbst die so lange vermisste Erhaltung der natürlichen Farbe, vorzugsweise des Blutrotes, ermöglichten. Das Museum gestattet es, nebeneinander diese verschiedenen Methoden in ihren Wirkungen zu überblicken: einerseits die ausgeblassten und daher schwer oder garnicht genau zu erkennenden Präparate der reinen Alkohol-Zeit, andererseits die fast in natürlichen Farben prangenden Erwerbungen der letzten Jahre. Die Museumsbeamten haben das Verdienst, mit am frühesten diese letztere Phase durch sorgsames Arbeiten geleitet zu haben; die Sammlungen besitzen für manche Krankheiten, z. B. für die Tuberkulose, die Schlagflüsse, die Darmkrankheiten, wundervolle Reihen der instruktivsten Präparate.
Es ist daher möglich geworden, das Museum so auszustatten, dass es schon jetzt ausreicht, die Mehrzahl der Krankheiten in den verschiedenen Zeiten ihres Verlaufes zu demonstrieren, und es lag nahe, dem entsprechend als Zielpunkte des Sammelns die Herstellung eigentlicher
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