Heft 
(1902) 10
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Dr. E. v. Freydorf, Neidkopf und Krone zu Berlin.

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historischen, Namen eines Hausbesitzers Lieberkühn weiss Bertram über­haupt noch nichts.

Wäre nun, ausser dieser Episode von dem Hause Hl. Geist­strasse 38 nichts bekannt, wäre insbesondere, wie es z. B. 1841 bis 1857 thatsächlich schon geschehen war sein Wahrzeichen vom Platze verschwunden, so würde an und für sich die Frage auftauchen: wieso mag ein Königssymbol dem Kurfürsten, auch wenn es eine Weissagung galt, just aus diesem Hause zugewiesen werden? Man würde in der damit angegebenen Adresse des alten Berlin etwa das- Geburtshaus eines der Hohenzollerschen Almen, oder den topographischen Ort eines alten Fürstensitzes und dergleichen vermuten, und zwar, namentlich im Hinblick auf die sonderbaren Schlussworte des Kur­fürsten, eine Reminiszenz von keineswegs gering zu schätzender Be­deutung.

Wo nun diegottgewollte und geheime Kraft dieses Krönleins suchen, da weiter kein Anhaltspunkt gegeben ist?

Ein günstiges Geschick hat uns das Haus und das Wahrzeichen daran, seis auch beides in erneuerter Gestalt, erhalten. (Im Jahre 1857 wurde der Kopf nur durch die Hand Louis Schneiders noch auf seinem Platz gerettet; auf Veranlassung des Genannten liess nämlich Friedrich Wilhelm IV. durch das Polizeipräsidium den Kopf am ursprünglichen Platze wieder anbringen, auch den Besitzer zu einer grundbuchlichen Eintragung bewegen, nach der der Kopf für alle Zeiten an diesem Platze stehen bleiben muss.) DerNeidkopf steht somit noch vor uns, greifbarer als die Sage.

Unsere Funde haben ferner heute gestattet, eine Bedeutung in diesem zufälligen Relikt zu finden, und es als obrigkeitliches Wahrzeichen rechtsgeschichtlich einzureihen.

Das Verhältnis des Hauses zum königlichen Herrn ei'klärt sich danach einzig und am ehesten aus dem Hinweis, der demNeidkopf selbst innewohnt; dies lässt die Sage zwar ahnen, setzt uns aber sofort wieder in Verlegenheit durch ihre Scenenfolge, welche die Er­richtung des Neidkopfes erst längere Jahre nach dem Krönleinauftritt geschehen lässt. Diese Umkehrung der Kausalität und Zeitfolge darf nicht stören. Unsere Annahme, dass diesWahrzeichen Berlins im Urbild hier thatsächlich schon früher zu sehn war, wird niemand zu kühn finden, der den obigen Darlegungen gefolgt ist. Den Beweis wäre schuldig, nach allen Regeln der Analogie und des gewöhnlichen Haus­zeichenerbgangs, wer das Gegenteil behaupten und etwa auf der Ein­führung des Neidkopfes zu Friedrich Wilhelm des Ersten Zeiten be­stehen wollte. Das Krönlein ist also im älteren, aber vollgiltigen Neidkopfhause als gefertigt zu denken. Dies gesteht die Berliner Sage