Heft 
(1902) 10
Seite
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Dr. E. y. Freydorf, Neidkopf und Krone zu Berlin.

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Audi in der Krönleinlesart ist, trotz mehrfacher Lücken, mithin der didaktische Zweck erkennbar, das nahe, Autorität verleihende und bestätigende Verhältnis des Neidkopfes zum Fürsten­amte darzustellen; die Darstellung in dieser Kvönleinsage ist insofern eine ursprünglichere, als hier nicht, wie in der Hauptanekdote nach Cosmar und Bertram (a) der König den Neidkopf erfindet, als im Gegen­teil das alte Symbol selbst es ist, von dem aus dem künftigen König das machtverleihende Geheimnis durch huldigenden Gesellen übersandt wird. Das Neidkopfsymbol als solches ist in der That älter als das Fürstengeschlecht (Beispiele a. a. O. d. Ztschr. f. Kulturgeschichte).

Soweit die Kron-Cession.

Wieso des weiteren dieselbe Sage dieses Krönlein nicht, gleich demService nach Cosmar, würdigt, in die Truhen des Schlosses selbst zu gelangen, ( seis auch nur nach Art des lombardischen Eisenringes, eingeschmiedet etwa in eines der anderen Stücke des Kronschatzes,) dieser silbernen Krone der Hohenzollern vielmehr so stolz wie be­scheiden im Kupferbehältnis bei den Grundsteindokumenten der städ­tischen Hauptkirche ihrengottgewollten Platz anweist, darüber ist in anderm Zusammenhang zu handeln.

Soviel zur Krönleinsage; soviel zur Verleihungsanekdote und zur allgemeinen Neidkopferscheinung.

Schlussergebnis.

Zwischen verschiedenartigen Stoffmassen voranvisierend, welche den Magnet unserer Vermutungen hier und dort leicht abzulenken drohten, finden wir, am Ende der Aufgabe angelangt, den Verlauf der gesuchten Adern im Verschüttungsgebiet einfach. Stellenweise liegen ihre Fragmente zu Tage, wenn auch selten noch in der richtigen Zu­sammensetzung. Zwei Verfahrensarten führten zum gleichen Ergebnis; erstlich die antiquarische Einreihung des Kopfexemplars und Namens selbst; zweitens die Rückübersetzung seiner Sage aus beiden Verbil­dungen, der enhemeristischen (a) und der romantischen (ß).

Es ergab sich: der Berliner Neidkopf ist altes Gerüfte-, und damit Herrs'chaftssymbol; er wird, der Hoffähigkeit in prüdem Missverständnis vorlängst entkleidet, vom Volke in wie stark novierender Cessionsurkunde auch immer, gleich­wohl treulich immerfort den Insignien der Königlichen Kron- schatzstiicke, ( zugleich auch den kirchenherrlicheu Grund­steindokumenten), zugewiesen, solches mit lebendig be­wusster Beziehung zum bestehenden Herrscherhause.

*) Es handelt sich um die Parochial-Kirche, die nicht alsstädtische Haupt­kirche gelten kann, d. R.)