Heft 
(1902) 10
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Kleine Mitteilungen.

und mit welchem Erfolge hat sie dieses Phantom in ästhetischer und mora­lisch-politischer Rücksicht genutzt? Da derartige Fragen und die daran ge­knüpften Debatten sich häufig wiederholten und zu stürmischen und erregten Verhandlungen Anlass gaben, machte man Gesetzbestimmungen, um solche Fragen aus dem Wege zu räumen; aber der unersättlich fragelustige Moni­teurmit seinen endlosen Motionen konnte nicht zufrieden gestellt werden, ja es kam sogar dahin, dass ein Vorschlag, alle Gesetze zu kassieren, nur mit geringer Majorität verworfen wurde. Der Umstand, dass in der ersten Zeit auch viele Damen an den Sitzungen teilnahmen, gab dem Fragekasten Veranlassung, auch seine Rolle als offizieller Quälgeist zu wechseln, mitunter galant und chevaleresk zu w'erden, wenn auch nur der Form nach. So tauchte z. B. die Frage auf, ob man nicht denjenigen Damen, die dreimal den Versammlungen beigewohnt haben würden, die Ehrenmitgliedschaft an­tragen könne? Wenn diese Frage, der der Schalk im Nacken sass, auch mit überwiegender Mehrheit verneint wurde, ja sogar dazu führte, dass das bisher auf Frauen, Töchter und Schwestern beschränkte Einführungsrecht der Mitglieder dahin ausgedehnt wurde, dass jedes Mitglied 2 Damen ein­führen könne, so verlor sich doch die Beteiligung der Damen an den regel­mässigen Versammlungen bald ganz und beschränkte sich auf die jährlichen Stiftungsfestlichkeiten. In den ersten 4 Jahren des Bestehens hatte so die Gesellschaft unter vielen und heftigen inneren Kämpfen, bei denen indes die wissenschaftliche Arbeit doch nicht in den Hintergrund gedrängt war, an ihrer Festigung arbeiten müssen, die endlich im Jahre 1801 durch eine Re­vision ihrer Gesetze erzielt war. DemMoniteur war dabei die bisherige revolutionäre Rolle gänzlich verschlossen, der Kasten sollte fernerhin nur noch als Aufbewahrungsort für die Vortragsanmeldungen dienen, nachdem jedes Mitglied durch seine Unterschrift sich zur Abhaltung mindestens eines Vortrags in jedem Jahre hatte verpflichten müssen. Nun erst war Ruhe und Sicherheit in die Gesellschaft gekommen; sie arbeitete mit schönen Erfolgen, die eine endlose Reihe wertvoller wissenschaftlicher Abhandlungen darstellen. Nur in der für Preussen so unglücklichen Zeit von 1806 waren 4 Sitzungen hintereinander ausgefallen, vom 18. Oktober bis 15. November.Die Hu­manität musste den Soldaten der Fremdherrschaft weichen, heisst es in einem Bericht, als nämlich die Franzosen die Loge Royal York besetzt hatten, in welcher die Gesellschaft jeden Sonnabend tagte. 1807 wurde das Stiftungsfest nicht gefeiert und 1808 begnügte sich die Gesellschaft, ihren Stiftungstag durch einen Akt stiller Wohlthätigkeit zu markieren.

Eine Übersicht der Thätigkeit dieser ausgezeichneten gelehrten Gesell­schaft Berlins, sowie der darin wirkenden Mitglieder, wird durch Aufzählen einzelner darin gehaltener Vorträge am besten gewonnen:

Jahr 1797: Prediger Mila: Versuch einer Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst. Prediger Koch: Die Schillersehe Ode: Die

Götter Griechenlands und eine Parodie derselben von Benkowitz. Geh.-Secr. Merry: Inwiefern kann man sagen, dass die menschlichen Schwachheiten die Reformation befördert haben? Prediger Koch: Über die Hinrichtung des Sokrates. Lehrer Dittmar: Über anständiges und sittliches Betragen der Frauenzimmer im 16. Jahrhundert. Geh. Ob.-Bau-Rat Langhans: über