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August Foerster:
Werder dem Wanderer eine Überraschung, wenn er zuerst durch der Zweige laubiges Gitter erspäht wird. Denn nicht ein flaches Inselchen mit Erlengebüsch am Rande und moorigem Grunde hat man vor sich, sondern einen aus dem See emporwachsenden Bergrücken von ansehnlicher Ausdehnung (140 Morgen, wovon 85 unterm Pflug) der nahe seinem höchsten Punkte das Haus und Gehöfte des Pächters trägt. Dort wohnt, dem Grundherrn Grafen von Redern auf Lanken pachtpflichtig, seit 33 Jahren ein -Mann, Gustav Spengler mit Namen, das Urbild eines märkischen Landmannes, ein rüstiger Fünfziger, von dem Fama manche Absonderlichkeiten verkündet hatte. Es sollte ein wortkarger, verschlossener Mann sein, dem an Fremdenbesuch in seiner Einsamkeit ganz und gar nichts gelegen sei, am wenigsten an solchem Besuch, der gleich den Wanderern in der ausgesprochenen Absicht gekommen, die berühmte Fundstätte für prähistorische Altertümer, als welche der Licpnitz-Werder ein wohlberechtigtes Ansehen geniesst, einer Besichtigung zu unterziehen. Es war deshalb fraglich, ob trotz vorhergegangener Ankündigung des Besuches Ehren-Spengler gefällig genug sein werde, die Wanderer am Seeufer mit dem Kahn abzuholen und nach dem Werder hinüberzufahren. Doch der Mann war besser als der ihm vorangehende Ruf der Ungefälligkeit und strafte Fama gründlich Lügen. Auf das verabredete Zeichen sah man von drüben einen Kahn abstossen und nicht lange, so erschien Herr Spengler mit freundlichstem Willkommensgruss vor den am Ufer Darrenden und beförderte sie, ihr Gesamtgewicht vorsichtig abschätzend und sie gewissermassen sortierend, in 2 Fahrten an das jenseitige Ufer. Hier grünte und blühte trotz Ende Oktober noch alles. Vor dem Landungsplatz breitete sich eine grüne Wiese aus, ein Kleefeld rechter Hand strotzte vor Üppigkeit wie im Lenz und einige Beete zeigten sich mit Grünkohl von einer Appetitlichkeit und Raupenfreiheit bestellt, dass die Frage ernstlich zu erörtern blieb, ob etwa den Kohlweisslingen der See zu breit dünkt, um den Flug hinüber zu wagen. In diesem Fall könnte Herr Spengler nichts besseres thun, als seinen ganzen Werder mit Kohl bepflanzen.
Der Liepnitz-Werder besitzt nur ein schmales Ufergelände von geringer Erhebung über den See, dessen Wasser Schwankungen von nicht mehr als einem Fuss ausgesetzt sind. Wenig landeinwärts erhebt sich das Gelände ziemlich steil bis auf einige hundert Fuss. Etwa im letzten Drittel der Insel nach Westen zu ist eine sattelartige Einbuchtung, die jedoch an ihrer tiefsten Stelle noch hoch über dem Spiegel des Sees liegt. Von oben ist der Rundblick köstlich, wenn er auch ringsum nur auf Wald fällt, der überall bis dicht an die Seeufer herantritt und im wesentlichen aus Buchen, zur Zeit im rotleuchtenden Herbstschmuck, doch auch zur Abwechselung aus dem dunkeln Grün der Kiefern besteht. Hier oben im schlichten, weltentrückten Pächterhause muss es sich gut weilen lassen! Wie wunderlich mag sich hier manchmal das Weltgetriebe draussen darstellen, gegenüber dem heiligen Frieden der Natur und dem Rauschen des nahen Waldes, das heute noch ebenso tönt, wie es dereirtst in die feierlichen, den heidnischen Kultus, an dieser Stätte begleitenden Handlungen hineingetönt hat. Denn durch zahlreiche prähistorische Funde und mehr noch durch die Lage und Eigenart des Ortes beglaubigt, der so ganz den Erfordernissen und Bedingungen