Der Liepnitz-Werder bei Bernau.
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entspricht, die von den heidnischen Vorfahren an eine Opfer- und Kult-Stätte gestellt wurden, war der Liepnitz-Werder in ferner Vergangenheit geweihter Boden, ein Opferaltar, wie er sich schon durch seine gegen die Umgebung aufragende Höhe, durch seine Gestalt und durch seine Umrahmung von einem klaren See gewissermassen als von Allmutter-Natur selbst zu heiligen Zwecken dargeboten auch dem blöden Auge darstellen musste! Das Märkische Museum besitzt manche interessanten Funde von dieser Stätte, jedes Umstürzen des Ackers und Tiefpflügen bringt immer wieder Urnenscherben, auch solche mit Ornamenten, auch Stein- und Bronzegeräte zu Tage und an einem hohen Punkte der Westseite des Werders ist in augenfälliger Abweichung von der Farbe des Erdreiches ringsum der Boden bei grosser Ausdehnung so tiefschwarz gefärbt, dass man unschwer diesen Ort als die Brand- und Opferstätte aus der heidnischen Vergangenheit erkennt Leider ist durch den Grundherrn gegenwärtig ein Verbot auf das Mitnehmen von Funden gelegt worden und auch der Pächter ist gehalten, solche nicht in seinem Interesse zu verwerten.
Unter Gesprächen und Betrachtungen des vorstehenden Inhalts hatten die Wanderer den Werder kreuz und quer durchstreift und dabei auch dem Pächterhause einen Besuch abgestattet, leider als Störenfi'iede beim schlichten Sonntagsmahle in den Frieden des Hauses fallend. Doch märkische Gastfreundschaft kehrt sich an solche Störung nicht, und so ruhten auch die emsige Hausfrau, die schmucken Töchter und die wettergebräunten Söhne nicht, bis sie die Wanderer vör der Thür des gastlichen Hauses zum Sitzen bewogen und mit Bier und einem Schnäpschen erquickt hatten Selbst Birnen und Trauben wurden herbeigebracht, letztere vorzüglich süsse, blaue und kleinbeerige von der in unserm Klima selten genügend reifenden Burgunder-Sorte, in Schlesien „Kurzroter“ genannt, die im gesegneten Jahr 1900 aber an einem einzigen, mächtigen Weinstock-Spalier an der Scheunensüdseite in solcher Güte und Fülle gewachsen waren, dass Herr Spengler von dem „Liepnitzer-Werder-Wein“ sogar eingekeltert hatte. Solcherlei werden sich die heidnischen Priester, die einst hier ihr Wesen trieben, gewiss nicht haben träumen lassen. Jedenfalls weckt Traubenblut freundlichere Erinnerungen als das hier wahrscheinlich häufig geflossene Blut zahlloser Opfertiere.
Merkwürdig, der Genius loci leitete die Gedanken immer wieder zurück auf die vorgeschichtliche Vergangenheit des Ortes und so trat denn auch, nach schuldiger Anerkennung der angebotenen und behaglich genossenen Erquickungen, auf aller Lippen die Frage an den freundlichen Wirt: Sind neuerdings wieder Funde gemacht worden? Und siehe da: Ein kräftiges Ja! ertönte von den Lippen des also Gefragten, und bald erschien derselbe, drei mit höchstem Interesse betrachtete Funde der jüngsten Zeit iu den Händen, und sie „aber nur zum Ansehn, nicht zum Mitnehmen für das Märkische Museum“, (wie warnend vorausgeschickt wurde), den Sachverständigsten unter den Gästen überreichend. Alle drei waren beim Graben an verschiedenen Teilen des Werders gefunden worden: Ein vorzüglich erhaltener und sehr gut gearbeiteter bronzener Celt, ein Steinmeissei aus Granit und ein Steinbeil aus Diorit. Sie beweisen aufs neue, dass dieser