Heft 
(1902) 10
Seite
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August Foerster: Der Liepnitz-Werder bei Bernau.

nur bei gefrorenem See ohne Kahn zugängliche Werder in vorgeschicht­licher Zeit eine von seiner heutigen Weltverlorenheit sehr abweichende Rolle in der Geschichte des Landes gespielt haben muss und dass in seinem Grunde wohl noch manches Wertvolle ruhen mag. Nicht ganz unwahr­scheinlich ist es auch, dass der Liepnitz-Werder die Mitte, gewissermassen die Citadelle einer Verteidigungslinie bildete, welche zu irgend einer Zeit unter Benutzung der Seenkette, die sich von West nach Ost erstreckt, und zugleich der mehr oder weniger sumpfigen Niederungen, die sich zwischen den Seen befinden, zum Schutze der südlicher gelegenen Gaue ein­gerichtet war.

Doch die vom Meridian längst sich westwärts senkende Sonne mahnte zum Verlassen des schönen Liepnitz-Werders. Bald war nach herzlichem Abschiede von Herrn Spengler und seinem die Gesellschaft nach dem Kontinent hinübergeleitenden Sohne die Unterförsterei Liepnitz erreicht, hier ein kräftiges Mittagsmahl genommen und von einem sach- und orts­kundigen Mitgliede der Gesellschaft der Plan für die Fortsetzung der Wanderung festgestellt. Zunächst ging es seitwärts in den Buchenwald, wo sich nach kurzem Wege einer dieser kleinen stillen Waldseen zeigte, an denen die Mark so reich ist, die aber immer wieder entzücken, besonders wenn sie so ganz unerwartet plötzlich vor den Augen des Wanderers auf­tauchen, wie es hier geschah. Woher derRegenbogensee seinen Namen haben mag, das mögen Wanderer, die im Lenz hierherkommen, .zweifelnd erwägen. Im Herbst ergiebt sich die Erklärung von selbst; denn er is dicht eingehegt in eine solche Fülle von Busch und Baum aller Gattungen deren jede zur Zeit in einer andern Farbe prangt, vom frischen Grün zum tiefen Rot-Braun, dass an der Farbe des Regenbogens nur das Blau fehlt das jedoch und zwar vom tiefsten Indigo-Tone der See selbst beisteuert Hier war es schwer sich zu trennen; doch der fernere Teil des Weges, ent­lang dem Nordufer des Liepnitz-Sees wollte auch noch genossen werden Das Ufer unterscheidet sich wesentlich von dem entgegengesetzten; denn es st hoch, stellenweis kaum erheblich niedriger als der Werder; doch geht man auf ihm zwischen hohen Waldbäumen wie auf einem schmalen Damm; denn auf der andern Seite schaut man hinunter in die grüne Dämmerung einer mit Birken, Weiden und Röhricht erfüllten Waldschlucht. Diese eigen­tümliche Terraingestaltung mag den Erklärern der glacialen Wirkungen, die hier thätig gewesen sein sollen, die Erdoberfläche zu formen, eine schwierige Aufgabe stellen. Unsere Maler aber sollten sich diesen Glanz­punkt märkischer Landschaft aufsuchen, um ihn auf die Leinwand zu bannen und das Lob der landschaftlichen Schönheit unserer heimatlichen Mark in alle Welt zu tragen.

Auf dem Heimwege wurde kurze Rast in Uetsdorf gemacht und dann auf vorzüglichen, festen Waldwegen quer durch die Bernauer Stadtforst zur Station Bernau, 9 km von Uetsdorf entfernt, zurückgekehrt. Auch dieser Teil der Wanderung durch den schon dämmrigen Mischwald verdiente ein­gehendere Würdigung, doch sapienti sat!