Heft 
(1911) 19
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20. (6. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.

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E. Bilder, Karten, Pläne.

IX. Althergebrachter Maßen um diese Jahreszeit lege ich die Agenda

Hertzog vor. Der Jahrgang 1910 enthält einen reich bildlich aus­gestatteten längeren Aufsatz unseres Presse - Seniors Professor Ludwig Pietsch: Die Maler der schönen Frauen; nicht wenige unter ihnen

fallen in unser Heimatgebiet.

X. Von der Wachsbüste der Flora Lionardo da Vincis, die die der Ganeraldirektor der Museen Dr. Wilhelm Bode für das Kaiser Friedrich - Museum um einen sehr hohen Preis erworben, lege ich Ihnen eine gute Abbildung vor. Über die Echtheit befragt, kann ich, nach einigem Schwanken mich bekehrt habend, nur sagen, daß ich den er­haltenen Torso für höchst wahrscheinlich echt halte. Dazu bestimmen mich die amtlichen Berichte der K. Kunstsammlungen, u. a. das technische Gutachten der Herren Geh. Heg. - Bat Dr. A. Miethe, insbesondere auch ein Gutachten des Wirkl. Staatsrats Professor Dr. Kählmann-Weimar. Beide befassen sich mit der Frage der Bemalung. Der erstere teilt die Besultate des photochemischen Verfahrens mit, der letztere diejenigen der chemischen Analyse.

Geheimrat Miethe hat, um festzustellen, ob die Bemalung der da­maligen Büste der jetzigen gleich war oder ob überhaupt eine solche existierte, die Aufnahme unter genau denselben Bedingungen und mit demselben photochemischen Material vorgenommen, wie es von Lucas benutzt worden ist. Die Betrachtung und Untersuchung der Lucasphoto- graphie ergab, daß die Aufnahme des Lucas nicht vor dem Jahre!^1859 gemacht worden sein kann. Die Büste war schon bemalt als sie Lucas photographierte.

Staatsrat Kählmann hat das Blau des Gewandes, das Braun des Halses und die weiße Farbe der freien Körperoberfläche der Büste unter­sucht. Betrachtet man kleine Brockel des blauen Gewandes, indem man ein frisch gebrochenes Stückchen mit der Bruchfläche nach oben auf die Kante stellt, so sieht man bei etwa sechzigfacher Vergrößerung, daß kör­nige, splitterige, mit scharfen Ecken und Kanten versehene Stückchen blauer Farbe in einem weißgrauen, speckigen, homogenen, durchscheinenden Medium suspendiert sind, derartig, daß zwischen den Farbstoffteilchen überall das erwähnte Medium sichtbar ist. An dunkelblau gefärbten Stellen findet sich unter dem Blau eine ziemlich mächtige braune Zwischenlage, die das Blau vom Wachse trennt. Diese Schichtung Blau auf Braunrot ist in ihrer Technik sehr ähnlich dem Schichtenblan altitalienischer Temperabilder. Sie findet sich auch auf Tafelbildern in der altdeutschen und altniederländischen Kunst bis ins 17. Jahrhundert.

Die Art, wie die blauen Partikel in dem Medium verteilt sind, das Aussehen dieses Mediums und auch sein optisches und chemisches Ver­halten ist überaus ähnlich dem Medium und den Farben der blauen