21. (7. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.
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einen .Rückblick auf den ununterbrochenen Kampf zu werfen, der um die alten Bauwerke Berlins geführt wird.
In den Schilderungen der auswärtigen Presse findet sich wieder und immer wieder die Behauptung, daß unser altes Berlin die modernste aller europäischen Großstädte sei, in der Weise gewissermaßen stereotypisch wiederholt, daß sie überall suggestiv wirkt und selbst wir Einheimischen vergessen, wie in wenigen Jahren unser Spree-Athen sein siebenhundertjähriges Bestehen feiern kann. Dazu kommt der Umstand — der Altertumsfreund sagt lieber: der Übelstand — hinzu, daß der Unkundige mit dem glänzendsten Neu-Berlin, postalisch Berlin W, ein gewaltiges Stadtgebiet in das politische Gemeinwesen und Weichbild miteinbezieht, das doch tatsächlich zu Charlottenburg, Schöneberg oder Wilmersdorf gehört.
Und das muß man ferner, wiederum als Geschichts- und Altertumsfreund, er- und bekennen, daß in keiner deutschen Großstadt mit viel- hundertjähriger Vergangenheit so arg gegen das überlieferte Stadtbild im ganzen wie im einzelnen zerstörend vorgegangen ist wie gerade in Berlin. In Städten wie Königsberg i. Pr., Breslau, Danzig, Stettin, Lübeck, Hamburg, Bremen, Magdeburg, Hannover, Braunschweig, Cöln (um von den süddeutschen Großstädten hier zu schweigen) läßt sich das älteste wie das neualterliche Stadtbild in großen Straßenzügen und, belegt durch zahlreiche charakteristische Einzelbauten, klar nachweisen, während dies bei uns nur schwer und an wichtigen Stellen leider fast unmöglich ist. Die älteste Stadt „to dem Berlin“ um St. Nikolai herum, insbesondere aber der alte Mühlenhof und der Sitz der ältesten landesherrlichen Gewalt verbleibt trotz Klöden und Eidicin sowie ihrer Nachfolger bis auf Borrmann und Clauswitz dunkel. Wenn nicht alte Ortsbezeichnungen zu Hilfe kämen wie der „Neue Markt“, so würde man kaum noch eine Erinnerung von dem Übergang des urmittelalterlichen in das spätmittelalterliche Berlin finden. Äußerlich gewiß nicht, unterirdisch: ja. Die Riesenarbeiten der entwässernden Kanalisation und ganz neuerlich der verschiedenen Untergrundtunnels für elektrische Schienenwege haben zwar dem aufmerksamen Forscher einige Aufklärungen über die Grenzen der Weichbildserweiterungen, über die Lage einzelner Wehrbauten, Befestigungstürme und Brückenansätze gegeben, aber sobald die Baugruben beseitigt, verschüttet oder ausgemauert, durch Schienengleise, Schächte und Zugänge ersetzt sind, erlischt für den Gelehrten die Möglichkeit weiterer Erkundigung, und oben auf der Straße sieht alles so modern wie früher aus, höchstens daß ein paar Abstiege zu den elektrischen Haltestellen hinzukommen, die den Eindruck der allermodernsten Umwandlung bringen.
Es macht, wenn man die geschichtlichen Wandlungen Berlins und den damit verbundenen Kampf um die alten Bauwerke an der Hand alter Karten und Pläne Revue passieren läßt, mitunter geradezu den Eindruck, pls hätte sich die jeweilig jüngste Generation geflissentlich vorgenommen,