21. (7. ordentliche) Versammlung: des XVIII. Vereinsjahres.
87
liehe Befestigung des Innern überflüssig. Welch’ eine dankbare Aufgabe hätte sich den Architekten geboten, falls sie die Entfestigung mit der Perspektive auf eine großzügige Verkehrsverbesserung und gleichzeitig auf eine gärtnerische Verschönerung längs der Grenze zwischen den älteren befestigten und den überall neuangefügten neuen Stadtteilen bewirkt hätten. Die Wälle mit den prächtigen Toren konnten zum großen Teil als Parkanlagen bestehen bleiben, und das Glacis mußte in der Breite des Dönhoffplatzes als eine gewaltige Ringstraße um die innere Stadt geführt werden, so wie es später Hamburg, Bremen, Lübeck, Wien, Frankfurt a. M. und Frankfurt a. 0., neuerdings Magdeburg nnd Stettin gemacht haben, und wie es Spandau augenblicklich tut. Aber der große Moment traf auf kleine Geister, denen eine ängstliche Ausnutzung des gewonnenen Geländes, auf dem der Kampf gegen die alten Festungsbauwerke schonungslos durch- geführt wurde, viel mehr am Herzen lag. Was wirklich damals hätte beseitigt werden können, das unschöne Gassengewirr auf dem Friedrichs- Werder, wurde bis auf den heutigen Tag verewigt, und zwischen der Landsberger Straße, Alexanderstraße, Holzmarktstraße, Andreasstraße und Palisadenstraße entstand ein Straßen-Kreuzundquer, von dem ein scharfer, aber nicht ungerechter Beurteiler gesagt hat, es mache den Eindruck, als ob der Ingenieur den Bebauungsplan im Tollhause gemacht habe. Im Innern Berlins baute jeder, fast kann man sagen, wie. er wollte, und dies sowohl unter der Herrschaft Friedrich Wilhelms I. wie Friedrichs des Großen. In jener Zeit ist eine unglaubliche Anzahl von alten, interessanten, zum Teil recht stattlichen Bürgerhäusern einfach niedergerissen oder völlig entstellt worden. Dies gilt von der Breiten Straße, Brüderstraße, Klosterstraße, Spandauer Straße, Poststraße, Heiligengeiststraße, Gertraudtenstraße u. a.
Was zu loben, soll nicht vergessen werden, der Anschluß des neuen, um die Straße Unter den Linden gruppierten Stadtteils an das Königliche Schloß und an Alt-Berlin und die Besetzung der prächtigsten Straße Berlins mit stattlichen öffentlichen und privaten Bauten; da dies auf altem Wald- und Wiesengelände geschah, so war hier wenigstens ein Kampf um die alten Bauwerke der Hauptstadt nicht zu führen.
Unter den beiden Nachfolgern des alten Fritz herrschte, man darf sagen: glücklicherweise, eine Gleichgültigkeit gegen die alten Stadtteile, so daß deren fiskalische wie private monumentalere Bauten unbehelligt bleiben konnten. Das änderte sich aber gegen Ende der Regierung Friedrich Wilhelms III. mit dem Beginn der Museumsbauten, denen deshalb interessante Bauten aus der Zeit des Großen Kurfürsten und des ersten preußischen Königs zum Opfer fielen. Der Niederlegungsprozeß nahm unter Friedrich Wilhelm IV. gelegentlich des Baus des Neuen Museums auf der danach genannten Museumsinsel seinen Fortgang, und er ist bis heutigentags, wie der Abbruch des Pergamon-Museums erweist, noch nicht völlig zum Abschluß gelangt.