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21. (7. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.
(eigentlich „Freithof“ = gefreiter, eingefriedigter Kaum) wie der schöne Münchener Waldfriedhof, oder der noch schönere ühlsdorfer Friedhof bei Hamburg, dazu würde das ganze Waldgebiet am Radeland entlang bis zur Falkenhagener Grenze, dem alten Stariz-Walde, kaum ausreichen, immerhin ein Friedhof in schöner, stiller Waldeinsamkeit, wohlgeptiegt und vortrefflich verwaltet. Was fehlt ist: mehr Meidung des Schablonenhaften, des Glänzend-Auffälligen (keine Photographien, keine Engelsgestalten, keine Perlenkränze, keine schimmernden Steine auf den Grabhügeln oder Grabesplatten!); mehr Ernst, weniger Sentimentalität, mehr Wahrheit, mehr Charakteristisches in den Grabinschriften und -Sprüchen!' Die gute moderne Grabsteinkunst, wie sie unlängst das Königliche Kunstgewerbemuseum in Berlin zur Schau stellte, ist auf dem großen städtischen (also nicht „konfessionellen“) Friedhof nur ganz vereinzelt vertreten. Möge sie in reicher Ausprägung bei ihm Einkehr halten — eine wahrhaft pietätvolle Ehrung der Toten, ein sinniger, erwecklicher Genuß für die Lebenden, die am Totensonntag, am Karfreitag, am Fest Allerseelen, oder sonstwie zu den Gräbern ihrer Toten wallen!
XXV. Über den Spandauer Kronprätendenten Naundorff. — In seinem dritten (letzten) ortsgeschichtlichen Vortrag am 14. Dezember 1909 gab Herr Oberpfarrer Recke einige interessante, mehr personelle Einzelheiten aus seiner ortsgeschichtlichen Studienmappe. — Zunächst wurde die Nau endorff-Frage berührt, Das vorjährige Referat über den Spandauer Uhrmacher, der gern König von Frankreich werden wollte, hat in der Presse vielfach Berücksichtigung gefunden; ein besonderer Abdruck erfolgte in der „Brandenburgia“, Juni 1909. Die sich anschließende Korrespondenz mit Herrn Geheimrat Friede! in Berlin, mit Herrn Professor Dr. Tschirch in Brandenburg, mit einer treuen Verehrerin „Ludwig XVII.“ und seiner Familie in Crossen war wohl geeignet, dem geschichtlichen Material wertvolle Ergänzungen zuzuführen. Persönliche Besprechungen mit dem unentwegten Verteidiger Nauendorffs, dem deutsch-französischen Schriftsteller Otto Friedrichs, mit Professor Ernst Bardey, dem ernsten Erforscher Dr. der Preußischen Staatsarchive, traten hinzu. Vor allem aber interessierte doch der Briefwechsel des Vortragenden mit dem französischen eure de Coullons, Berton, der unter dem Pseudonym „Osmond“ in der Zeitschrift „La Legitimite“ voll und ganz für „Louis XVII.“ ein- tritt. Die vorliegenden Oktober- und November-Nummern des französichen Monatsblattes befassen sich eingehend mit der Spandauer Zeit Nauendorffs noch mehr: sie bringen den „acte de mariage de Spandau“, d. i. den Auszug aus dem Spandauer Kirchenbuch von St. Nicolai betreffend die Trauung des Spandauer Uhrmachers Carl Wilhelm Nauendorff mit Jungfrau Johanne Friederike Ei(u)nert am 19. November 1818 in photographischer Reproduktion. Das gesamte, durch viele andere Auszüge aus deutschen und französischen Quellen ergänzte Material kann den Geschichtsforscher nur