Heft 
(1911) 19
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21. (7. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.

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angenommenen Lichtbilder-Vortrag: Die Bedeutung unserer See­

fischerei für die Bewohner Berlins und der Provinz Brandenburg.

Die Provinz Brandenburg scheint, so begann der Redner, wie kaum eine andere von der Natur auf die Verwertung des Fischreichtums ihrer außerordentlich zahlreichen Gewässer, ihrer Bäche, Flüsse und vor allem ihrer großen Landseen angewiesen. Schon zur wendischen Zeit wurde dieser natürliche Reichtum des Landes gebührend geschätzt und die Fischerei eifrig betrieben. Alle die vielen Örtlichkeiten, die in der Mark Kietz heißen, sind ebensoviele Erinnerungen an wendischen Fischerei­betrieb. Als die Deutschen Herren des Landes geworden, erfuhr die Fischerei ohne Unterlaß die beste Förderung und Pflege bis in unsere Tage, in denen Berlin mit Recht als der größte Markt der Welt für lebende Fische gilt. Man sollte nun meinen, daß ein so reich mit Süß­wasserfischen gesegnetes Land sich unter den Verkehrsschwierigkeiten und Hemmnissen früherer Tage wenig für Seefische interessiert haben könnte; doch beweisen Urkunden aus dem 13. und 14. Jahrhundert, daß zum wenigsten der Hering schon im Lande gekannt und gewürdigt war. Vom 10. bis 16. Jahrhundert blühte die Heringfischerei hauptsächlich in Schweden, an der Küste von Schonen; von dort ging ein lebhafter Handel mit Salz­heringen über Land nach Hamburg, ja bis Flandern. Auf Erleichterung dieses Verkehrs bezieht sich eine Urkunde von 1236, aus der her­vorgeht, daß die Stadt Brandenburg Vermittlerin dieses Handels war. Mit Zollangelegenheiten, den Hering und den als Fastenspeise in der ganzen Welt verbreiteten Stockfisch betreffend, befaßt sich eine Berliner Urkunde von 1397. Damals hatte der Verkehr schon eine andere Richtung genommen; denn es geschieht dieser Fische als von Hamburg eingehend Erwähnung. Zur staatlichen Betätigung für die Seefischerei kam das lange nur binnenländische Brandenburg und Preußen erst spät. Der große König war es, der in seinem alle Interessen seines Landes umfassenden Geiste auch auf dieser Nahrungsquelle Aufmerksamkeit schenkte und einer ersten deutschen Heringsfischereigesellschaft in Emden 1780 ein Privileg für Preußen verlieh. Der spätere Verlust von Ostfriesland an Hannover ließ dies Unternehmen eingehen. Den lebhafteren Aufschwung sowohl der Seefischerei als die Gewöhnung an den Genuß von Seefischen im deutschen Binnenlande, insonderheit in Berlin und der Mark, brachte erst das 19. Jahrhundert infolge Einführung der Gewerbefreiheit, des Baues von Eisenbahnen in den Jahren 184046, der Fortschritte der Bereitung von Fischkonserven. Es ging indessen ziemlich langsam mit der Einführung von Seefischen in der Landeshauptstadt. Bis in die 70 er Jahre entbehrte Berlin der Fischläden gänzlich, es waren lange Zeit nur einige bevorzugte Sorten, wie Steinbutte und Seezunge, die in Berlin auf den Markt kamen. Der Aufschwung der heute an 45 Millionen Mark alljährlich produzierenden Konservenindustrie datiert erst aus den 80 er Jahren. Zum Teil trug die