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21. (7. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.
Schuld an diesem langsamen Fortschritt auch das Verharren des Seefischereigewerbes bei den alten Formen des Fanges unter Benutzung der kleinen Segelboote und Kutter, die heute noch für die nahe gelegenen Fischgründe z. B. von den Fischern in Finkenwärder und Blankenese in Anwendung kommen, aber seit 1885 für den Fang auf hoher See und für die Ausdehnung der in Benutzung genommenen Fischgründe bis hinauf nach Island durch die zu hoher Entwicklung gelangte Einrichtung der „Fischdampfer“ ersetzt sind. Seitdem sind Nord- und Ostsee natürlich in ungleich höherem Grade als sonst zugunsten der Yolksernälirung nutzbar gemacht; allein noch ist bei weitem nicht das erwünschte und erstrebte Maß erreicht, in dem die Seefischerei zum Wohl und zu kräftiger Ernährung der Menschen beitragen könnte. Ein Hindernis bietet z. Z. noch die Unvereinbarkeit des im Winter stärkeren, im Sommer schwächeren Begehrs nach Seefischen, mit dem im Winter verglichen mit dem Sommer ungleich schwierigeren, gefährlicheren und wenig ergiebigeren Fang. Dies Mißverhältnis ist zuweilen so stark, daß die Fischdampfer sich in der für den Fang besten Jahreszeit zum Feiern genötigt sehen, weil sie nicht imstande sind, das Fangergebnis auf einen Preis zu bringen, der die Fangkosten deckt. Der Grund dieses Unterkonsums und des sich für die Interessen der Seefischerei zeitlich ungeeignet verteilenden Konsums — hierzu tritt auch schädigend die Gewöhnung der katholischen Landesteile an den Freitag als Fischgerichtstag — ist zum Teil sicher in der nicht genügenden Organisation des Fischhandels zu suchen. Es wird nicht mit Unreeht, z. B. für Berlin, darüber geklagt, daß die Zahl der Fischläden zu gering, infolgedessen der Einkauf für die Hausfrauen erschwert und damit die Gewöhnung an regelmäßigen Verbrauch von Seefischen verhindert werde. Andererseits hat der noch bei weitem nicht allgemeine Genuß von Seefischen die unliebsame Folge des Verderbens mancher nicht gleich abzusetzender Sendung und mittelbar die Preisverteuerung der frischen Ware. Es ist heute so leicht, frische Ware auf Eis von der Küste als Eilgut zu beziehen. Würden die Händler sich z. B. vor Bestellung einer Sendung mit ihren Kundinnen in Verbindung setzen, um des sofortigen Verkaufs der ankommenden Fische sicher zu sein, wäre beiden Teilen gedient. Unsere Hausfrauen würden dann auch sicher die günstige Erfahrung machen, billiger zu kaufen, und bestätigt finden, was ein bedeutender Hygieniker in klaren Zahlen bewiesen hat, daß Seefische unter allen in Vergleich tretenden Nahrungsmitteln für das gleiche Geld den höchsten Nahrungswert bieten. In der festen Überzeugung eines nach allen Seiten im besten Sinne nutzbringenden Unternehmens ist vor jetzt 25 Jahren der Deutsche Seefischerei-Verein mit dem Sitz in Berlin gegründet worden. Sein Zweck ist niemals auf Beteiligung kommerzieller Art, sei es an der Seefischerei, sei es an der Verwertung des Fanges gerichtet gewesen, er hat stets nur folgenden Dingen gegolten: der staatlichen Behörde, soweit es gefordert