Der Rabe in der Volkskunde.
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(Leckei gefunden, der in getriebener Arbeit Odin zeigt: mit den beiden Wölfen Geri und Freie zu seinen Füßen und den beiden Raben auf seinen Schultern. Und beim Dorfe Gömminga auf Oeland fand man eine (auf der Rückseite mit Runen versehene) Goldmünze, die ebenfalls Odin mit den Raben auf den Schultern vorführt.')
Die Inder hielten die Raben für Seelen der Verstorbenen; und die Brahmanen lassen fortwährend auf den Schultern der Menschen zwei unsichtbare Genien sitzen, die geheimsten Gedanken, die Reden und Handlungen der Menschen belauschend, um einst in der andern Welt über die Verstorbenen zu berichten. — Da alle Seelen aus Odin — Wuotan stammen (sagt Nork), kehren sie zu ihm zurück, wie die Raben. 3 )
Die Seele erscheint dem Menschen in seiner eigenen Gestalt als Doppelgänger oder in einer seinem Charakter entsprechenden Tiergestalt, — so auch als Rabe. 11 ) — Es ist aber nicht gesagt worden und auch nicht einerlei, welche Eigenschaft dieses Vogels dabei maßgebend wäre.
Der Urheber des Hexenunfugs [in Steiermark] im 17. Jahrhundert war der Pfarrer Gregor Agricola von Hatjendorf (nahe dem durch seine Heilquellen jetzt berühmten Gleichenberg). Agricola wurde vom Henker im Kerker erdrosselt; und unmittelbar darauf hat man einen Raben vom Fenster des Gefängnisses über den Marktplatz fliegen sehen, den alle für die schwarze Seele des Bösewichts hielten. 4 )
Kyrkegrime, ein Schutzgeist der Kirche in Schweden, jagt auf dem Kirchhofe ermordete Personen oder auch Kinder, die ohne kirchliche Weihe gestorben sind. Diese Toten müssen als „Nachtraben“ (das sind dort Gerippe, die einen knarrenden, kreischenden Laut von sich geben) umherflattern. )
Gespenster hingerichteter Hexen erscheinen häufig in Rabengestalt. (i ) — Die Seele des Selbstmörders wird [ohne weiteres] zum Raben.'*) — Als „Windgott“ hängt Odin „am windigen Baum“; er ist [in dieser Erscheinung] der Gott der Gehängten, deren gewaltsam ausgepreßter Atem Sturm erregt. 8 ) Immer noch, wenn der Sturm heult oder nur ein heftiger Wind weht, sagt das Volk: es hat sich jemand aufgehängt oder es will sich jemand auf hängen.
*) Hermanowski, a. a. ().; I, S. 12 f.
2 ) Wohlthat, a. a. 0.
3 ) Meyer, a. a. 0., S. 67.
4 ) Franz Ilwof, Hexenwesen n. Aberglauben i. Steiermark. (Z. d. V. f. Volksk. 1897.) S. 194 f.
5 ) H. F. Feilberg, IX Sage v. d. Begräbnis Kön. Erik Ejegods von Dänem. a. Cyp. (Z. d. V. f. Volksk.; 1895.) S. 243.
6 ) Freytag, a. a. 0.