Heft 
(1911) 19
Seite
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Elisabeth Lemke.

Eine Sage in der Mark Brandenburg läßt alljährlich im Oktober 13 schauerlich klagende Raben um den Turm der Burg Lenzen flattern. Es sind die Seelen von 13 Raubrittern, die im 11. Jahrhundert der Edle von Quitzow gefangen und bestraft hat. 1 )

Um dieRabensteine (Hinrichtungsplätze u. s. \v.) fliegen krächzend die schwarzen Todesvögel. Aber auch anderwärts erweckt das Krächzen geheimes Grauen; es mahnt an bevorstehendes Unglück, zunächst an einen Todesfall, gleichwie:Odins Rabe den Helden den Tod voraus­kündet. 2 )

Man hat (sagt Montelius. a. a. 0.) Acht auf des Raben Flug und auf seine Stimme, worin 64 Bedeutungen liegen sollen, je nach der Richtung oder Schnelligkeit des Flugs und nach der Dehnung, Wiederholung und Stärke des Geschreis.

Aber s. Z. hat das Geschrei des Raben auch als glückliche Vorbedeutung gegolten. z. B. während das sog.Siegesopfer dargebracht wurde. Auch war es bei Opfern für Odin erwünscht. 3 )

Des Raben Zusammenhang mit der Grabwelt ist uralt und in weit von einander entfernten Ländern anzutreffen. Nach einer jüdischen Sage hat der Rabe das erste Grab auf Erden gegraben, nämlich für seine Jungen. [Sollten diese vielleicht beim Unterricht im Fliegen ihren Tod gefunden haben?] Adam hat ihm aufmerksam zugeschaut und dabei gelernt, wie er Abel beerdigen solle. 4 ) Weil der Rabe Adam das Begraben gelehrt hatte, belohnte ihn Gott dadurch, daß er die jungen Raben ernährt. Der Rabe verläßt nämlich [sagt die Sage] seine Jungen, weil sie weiß sind. Außerdem erhört Gott die Raben, wenn sie nach Regen schreien. (Psalm 147, 10;Der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die ihn anrufen. 5 6 ) Im Koran erscheint der Rabe als Totengräber. Bei den 'Serben kommt er als Bote vom Schlachtfeld, um von den Gefallenen zu melden. In einem slavischen Liede bringt er einem Mädchen Nachricht vom Tode des Geliebten; in einem litauischen aber dem Mädchen nicht nur solche Nach­richt, sondern auch eine Hand des Liebsten. An der Hand steckt noch der RingJ)

Der Ring führt uns in die Wirklichkeit zurück, insofern der Rabe von je her ein auffallendes Wohlgefallen an glänzenden Gegenständen bezeugt hat. Der kluge Vogel ist daher auch (es möchte manchen Rabenfreund betrüben) ein Sinnbild des Diebstahls; und von einem tüchtigen Diebe sagt man: er stiehlt wie ein Rabe. Besonders gern

0 Wohlthat, a. a. 0.

2 ) Montelius, a. a. 0.

3 ) Wohlthat, a. a. 0.

4 ) Friedreich, a. a. 0. (Tendlau, Jüdische Sagen, S. 179.)

5 ) Dähnhardt, a. a. 0., S. 249.

6 ) Friedreich, a. a. 0.