Volkstümliches Gebäck.
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Zunächst möchte ich daran erinnern, daß das Volk oft gedankenlos mit bildnerischen Darstellungen verfährt, so daß nicht allemal der Ausgangspunkt ohne weiteres zu erkennen ist. Es sei nur auf die Giebelverzierungen verwiesen: unter den Hunderten, die ich sah, kehren zwar bestimmte Formen immer wieder (wie vor allem die — allerdings manchmal nur den Kundigen noch erkennbaren — Pferdeköpfe); daneben treffen wir, außer vereinzelten Darstellungen von Menschen, Tieren, Blumen u. s. w., höchst willkürliche Schnörkeleien.
Dennoch bleibt das Volk der Bewahrer uralten Erbes, und in jedem einzelnen Fall soll man für seine Bildnerei Aufmerksamkeit haben, zumal hier, wo die Jahreszahl „1696“ besonderes Interesse herausfordert. Offenbar haben wir es bei den Märkischen Klemmkuchen mit Nachahmung einst zielbewußter, allmählich aber nicht mehr ganz vorhandener Muster zu tun; auch die Einteilung in große, viereckige Felder beweist das. Unsere heutigen „Waffeln“ zeigen sehr kleine Felder mit erhöhtem Kand. Die flachen, dünn und ausgebreitet hergestellten Osterfladen (cfr. Flado) hatten Einkerbungen u.s.w., — die nach M. Hoefler, Ostergebäcke, S. 34 — vermutlich dienten, den aufgegossenen Honig oder Fruchtsaft länger haften zu lassen; „ihre Zeichnungen sind sicher nur ein dekoratives lineares Motiv ohne mythogenen Hintergrund. Die Oberfläche der [in Appenzell hergestellten] Fladen ist meist quadratisch oder rautenförmig stark geschnippt; — regelmäßige Felderabteilungen.“ Der a. a. 0., S. 67, abgebildete koptische Kreuzbrotstempel von 1156 n. Chr. erhält bei der sich ergebenden Einteilung in mehr als 20 kleine Felder um diese herum entsprechende (erhöhte) Ränder; auf Tafel III sehen wir in Abb. 50 eine abgerundete Zeichnung ohne Felder: „Abdruck eines Waffeleisens, 1570, aus dem Museum Ferdinandeum iu Innsbruck, das Abendmahl darstellend; die Mitte nimmt der Tisch ein mit dem Osterlamm, 2 Ostersachs (Messer), 4 Trinkgeschirren, 1 Tellerrost und 4 Broten.“ — In M. Hoefler, Weihnachtsgebäcke, Tafel I, Fig. 1, finden wir ein a. d. J. 1676 stammendes „Tellerbrod“ aus Lebkuchen; Lüneburg; „symbolisiertes Jagdglück“, Das mit vielem Kandschmuck verzierte Stück hat in seinem mittleren Teil 12 Felder mit erhöhtem Hand; einige doppelt geführte Linien des Lebkuchens bleiben ebenso rätselhaft wie bei den märkischen Klemmkuchen von 1696; die Leiter bei letzteren erinnert mehr an den Rost des Inn- brucker Stückes, während das Lüneberger ein Gatter zeigt. Aber 2 gekreuzte Gewehre beim „Jagdglück“ entsprechen den 2 gekreuzten Schwertern der Klemmkuchen. Wiederholt tritt bei den märkischen Nachkommen einer vielleicht langen Ahnenreihe eine Figur auf, die den 8 Speichen eines Rades entspricht; ein Radkranz fehlt; dafür gab man jeder Speiche einen Abschluß, der als rundliches, z. T. wohl krauses Gebilde, mir heute noch nicht erklärbar ist.
L. Strackerjahn, Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. (Oldenburg, G. Stelling; 1867.) Buch IV, S. 30: „Überall