Heft 
(1911) 19
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22. (15. außerordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.

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Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern, Dr. jur. E. Jungck, zwecks Besichtigung der sogen. Schlütersäle betreten, wobei Herr Regierungsrat Kirstaedter die Güte hatte, seinen durch Unpäßlichkeit leider behinderten Herrn Chef zu vertreten.

Wie bereits in der Einladung bemerkt wurde, ist das Gebäude Klosterstraße 36 um 1712 für den Baron von Creutz durch den Architekten Martin Heinrich Böhme, einen Schüler des großen Andreas Schlüter, erbaut und insbesondere der große Empfangssaal (Maße 8:9 m Grundfläche und bis 8 m lichte Höhe) prächtig aus­geschmückt worden. Es ist ein Verdienst des kunstsinnigen Einanz­ministers Freiherrn von Rheinbaben die 'Wiederherstellung der arg vernachlässigten Zimmer veranlaßt zu haben; diese ist dem Geheimen Baurat Bo et sch vortrefflich gelungen. Der größere Saal ist besonders prächtig; wenn er auch den NamenSchlütersaal im Volksmund zu Unrecht trägt, so atmet er doch den Geist des berühmten Meisters.

Die Deutung der mit Ausnahme eines Heroen (Herkules) lediglich aus weiblichen Gottheiten bestehenden mythologischen Versammlung auf dem Deckgemälde erscheint um so schwieriger, als die Besichtigung höchst unbequem ist. Außerdem sind noch auf den Supraporten und in den Zwickeln allerhand klassische und mythologische Vorgänge zum Teil grau in grau dargestellt. Auch zwei plastische Köpfe, vielleicht zeitgenössische Porträts (?), harren noch der Deutung.

Auf die. letztere sowie auf die Erklärung des Deckgemäldes, das malerisch kein besonderes Kunstwerk darstellt, verzichten wir ab­sichtlich, da erst vor kurzem am 5. d. M. der uns befreundete Verein für die Geschichte Berlins, den die ganze Sache recht eigentlich angeht, hier eine Versammlung abgehalten hat und eine Publikation vor­bereitet. In dieser Beziehung sei auf desselben Vereins ZeitschriftAlt- Berlin, Jahrgang 1909 S. 249 252'verwiesen, woselbst ein Teil des größeren Saals und S. 251 die Bildsäule des Großen Kurfürsten und die des ersten preußischen Königs abgebildet worden sind.*) Die Statuen sind in zwei Nischen an Stelle der dort befindlich gewesenen Öfen auf Befehl Kaiser Wilhelms II. aufgestellt und von dem Bildhauer Professor Eduard Friedrich Max Wiese angefertigt worden, welcher der Brandenburgia bereits als Schöpfer des von uns besichtigten Denkmals unseres Theodor Fontane in Neu-Ruppin riihmlichst bekannt ist.

Auch hier sprach der Vorsitzende den Dank der Teilnehmer aus, die sich mit dem Gefühle angenehmer Überraschung, daß dergleichen Kunst-

*) Der Bericht über die Versammlung des Vereins für die Geschichte Berlins ist in der genannten Zeitschrift, Jahrgang 1910 S. 24, abgedruckt. Prof. Dr. John Pierson hat sich eine ausführliche Schilderung des sogen. Schlütersaals und der Person des Ministers von Creutz in derselben Zeitschrift für später Vorbehalten, worauf hiermit verwiesen sei.