Heft 
(1911) 19
Seite
184
Einzelbild herunterladen

184

24. (8. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.

stets von Trägern getragen. Ist der Tote ein junges Mädchen oder ein junger Bursche, gehen junge Mädchen mit selhstgetlochteiien Grabkränzen dem Sarge voran. Ist der Begräbnisplatz nicht in demselben Dorf, so bewegt sich der Zug bis ein Stückchen hinter das Dorf. Dann wird der Sarg auf einem Bretterwagen geladen, auf dessen Boden Strohbunde gelegt sind. Beim Eückweg muß man ein wenig Stroh an dem Grenz- oder Kreuz­weg (oder falls es beides gibt, an beiden) niederwerfen, damit, wie der Volksmund sagt, sich die Seele des Begrabenen, die nach dem Begräbnis mitkommt, dort ausruhen kann. Sowie der Sarg aus der Stube getragen worden ist, stellt man einen Stuhl vor die Stubentür und hängt ein Hand­tuch an den äußeren Stubentürpfosten. Auf dem Stuhl, sagen die Leute ruht sich die arme Seele aus, die mit den Leidtragenden mit nach Hause kehrt, und an dem Handtuch trocknet sie ihre Tränen. Demjenigen, der nach dem Begräbnisschmaus (die meisten richten ein Abendessen aus, be­stehend aus: Fisch- und Fleischgerichten, Reis mit Pflaumen, Kuchen, Kaffee, Schnaps, Likör usw.) zuerst heimkehrt, folgt die Seele des Ver­storbenen nach, um sich dann endlich zur Ruhe zu begeben. Erst jetzt darf man Stuhl und Handtuch wieder in die Stube hineinholen, sie haben ihren Dienst erfüllt, dem Toten den letzten Liebesdienst zu erweisen.

Auch dieser Beitrag ist aus der neusten Nummer der ZeitschriftDas Land des vorgedachten Vereins. Also nicht bloß Praktisches, sondern auch Volkskunde wurde darin getrieben.

XIII. Zur Wiederbelebung der Bernauer Hussitenfeier, worüber schon in letzter Sitzung gesprochen wurde, schreibt Herr Julius Reichsritter von Wirth Edler von Weydenberg in Bernau folgendes im B. L. A. vom 17. d. M. vom Turnplatz am Mühlentor folgendes.

Hier ist ein historischer Hintergrund vorhanden, wie er schöner nicht gedacht werden kann. Die gut erhaltene alte Stadtmauer mit Lughäusern und Pulverturm, die altehrwürdige St. Marienkirche, die Zeugin jener Zeit, und die mit schattigen Bäumen bepflanzten Wälle mitphrer Ursprünglichkeit bieten ein herrliches Landschaftsbild, der große, schöne Platz aber, in Baumgrün eingehegt, bietet eine tadellose Naturbühne. Es sei auch des großartigen Festzuges gedacht, den, veranstaltet von Berliner Künstlern, aus Anlaß der 450jährigen Wiederkehr des Hussitenfestes Bernau in seinen Mauern sah. Schon damals hoffte man, daß nach diesem schönen Erfolge die bekannte Schwerfälligkeit und Abneigung der Norddeutschen gegen solche historischen Gedenkfeiern bald schwinden werde. Erst nach 28 Jahren schätzt man den Wert solcher vaterländischen Gedenktage etwas höher ein, denn bei der Nähe der Reichshauptstadt kann man sich nennenswerte wirt­schaftliche Vorteile davon versprechen, wird die jährlich [wiederkehrende Feier großzügig angelegt. Beim 450. Hussitenfeste i. J. 1882 durchzuckte es viele Tausende, die gekommen waren, wie ein elektrischer Funke beim Anblick des farbenprächtigen Festzuges, der von einer Abteilung der