24. (8. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.
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Schlesiens, das allmählich ganz in der Münchener Kultur aufgegangen ist, ist eine der reichsten und vielseitigsten Begabungen der deutschen Literatur in verhältnismäßig jungen Jahren — Bierbaum ist nur 44 Jahre alt geworden — allzufrüh dahingegangen. Als die deutsche Kunst sich nach einer langen Epoche des Epigonentums und farblosen Idealismus wieder jungfräulichen Boden suchte, erkor die Jugend sich besonders zwei Schriftsteller zu ihren Lieblingen, Otto Erich, die bekannte Abkürzung für Hartleben, und Otto Julius, eben unsern Bierbaum. Ton ihnen war Hartleben wohl das stärkere Talent, aber Bierbaum in seiner unermüdlichen Schaffenskraft blieb der größere Bürger. Ähnlich wie Hermann Bahr, der in Österreich in aestheticis revolutionierte, stand er in Deutschland an der Spitze jedes literarischen und art istischen Vorstoßes. Er hat bei uns die Überbrettl- Bcwegung durch seinen Koman „Stilpe“, dem er später noch eine Reihe sehr gelungener Erzählungen und den vielbesprochenen Schlüsselroman „Prinz Kuckuck“ nachfolgen ließ, in die Wege geleitet und in Berlin im Trianon-Theater das freilich rasch mißglückte Experiment einer melodramatischen Bühne gemacht. Sein Tanzduett „Hingel Hingel Rosenkranz“ mit der Musik von Straus ist der Clou des Brettls geblieben, und dem Lyriker Bierbaum ist in seinem „Irrgarten der Liebe“, der es auf mehr als 40 Auflagen brechte, manches frische, volkstümliche Gedicht gelungen. Auch auf dramatischem Gebiete und als Librettist ist Bierbaum tätig gewesen. Seine Oper „Lobetanz“ hatte einen schönen Erfolg. So reich sein produktives literarisches Schaffen ist, es wird noch durch zahlreiche Ausgaben älterer Literaturwerke, durch Anthologien und kunstgeschichtliche Schriften erweitert. Bierbaum war wirklich in allen Sätteln gerecht und besaß einen ausgeprägten Sinn für alle Aktualitäten.
Das soeben erwähnte Bühnenspiel Lobetanz liegt nur in einem Exemplar vor, das er handschriftlich „Tegel, den 15. Februar 1995“ u. verstorbenem M. Dr. Carl Botle gewidmet hat, ebenso das reizende: „Nehmt, Fromve, diesen Kranz“, ausgewählte Gedichte (Berlin 1894 Verlag von Sehuhr), die er in Tegel gleichfalls gedichtet. Unser guter Freund Carl Bolle war ein eigener Kauz, sehr gastfrei auf seiner Insel Scharfenberg, die wegen der Streitigkeiten zwischen dem Erben, u. M. Herrn Adolf Bolle und der Stadt Berlin einer- und der Wwe. Constanze von Heinz andererseits gerade gegenwärtig die Aufmerksamkeit erregt. Aber er liebte nicht längere Einquartierung von Fremden auf seinem Eiland und so schlug er Herrn Bierbaum eine Wohnung auf Scharfenberg ab, während er ihn und seine liebenswürdige Frau bei kürzeren Besuchen sehr freundlich dort aufnahm.
Bierbaum quartierte sich infolgedessen gegenüber im Dorf Tegel ein, kam aber sehr häufig zu Boote nach der Insel herüber. In der „Widmungsepistel: An meine Frau Gusti“ S. IX von „Nehmt, Fromve, disen Kranz“ schreibt er unter den schlanken Scharlacheichen von Scharfenberg:
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