Heft 
(1911) 19
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24. (8. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.

dem 15. Jahrhundert den Binnenstädten den Handel, die Handelslinien wurden länger, reichten teilweise von England direkt nach Nürnberg oder Schlesien; viele Mittelstationen wurden nun übersprungen. Der landbauende Adel trat mit den Kautieuten an den Seeplätzen in direkte Beziehungen, Ankauf und Ausfuhr der Landprodukte (vornehmlich Getreide, Holz und Wolle) vollzogen sich ohne Vermittlung einheimischer Kaufmannschaften, ohne Berücksichtigung der einheimischen Märkte. Die Ausfuhr von Erzeug­nissen der märkischen Gewerbe ließ ganz nach; diese wurden vielmehr, da sie hinter den steigenden Bedürfnissen zurückblieben, überall durch bessere verdrängt. Vor allem die Tuchmacherei wurde durch die in Sachsen, Lausitz und Schlesien aufblühende überlegene Konkurrenz schwer bedrängt; nur die durch eingewanderte Niederländer in Ziillichau und Krossen emporgebrachte AVollgewerbe konnten es jenen gleichtun.

Erst die merkantilistische Woll- Manufakturpolitik hat sich das große Verdienst erworben, dem Handel und Gewerbe die ihnen zu beiderseitigem Gedeihen fehlende Verbindung zu verschaffen durch das Verlagssystem oder durch kaufmännisch geleitete Großmanufakturen und das märkische AVollgewerbe wieder leistungsfähig zu machen. Daneben blühten seit dem Großen Kurfürsten die Frankfurter Messen und der Berliner Speditions­handel auf. Dies alles ist fast völlig Neugründung, wie auch die rasch emporwachsende Handels- und Manufakturstadt Berlin ein vom mittel­alterlich-zünftigen Betriebe durchaus abweichendes, modern-liberales Gepräge hatte.

Über Hofrentei, Kammer und Schatulle in der Mark Brandenburg bis auf die Zeit des Großen Kurfürsten sprach Herr Dr. Haß in einem interessanten Vortrag im Abein für Geschichte der Mark Brandenburg am 9. Februar 1910. Wir entnehmen hieraus folgendes. Um 1640 gab es zweifellos zwei landesherrliche Zentralkassen: neben der Hofrentei, die den größten Teil der fürstlichen Einkünfte sammelte und die wichtigsten Ausgaben bestritt, bestand noch eine besondere Kasse für die privaten Bedürfnisse des Kurfürsten: dieKammer, für die bald darauf die BezeichnungSchatulle üblich wurde. A r on diesem bekannten Tatbestände ausgehend, suchte der Abtragende die Frage zu beantworten, ob dieKammer als eine Art landesherrlicher Privatkasse bereits während des 16. Jahrhunderts existiert, und wie sich etwa in dieser Zeit ihr Ver­hältnis zur Hofrentei gestaltet habe. Er kam dabei zunächst zu dem Resultat, daß die von Riedel begründete Ansicht über diese Dinge, ins­besondere seine Abstellung von der Entstehung der Hofrentei, nicht zu halten sei: die Rentei ist nicht erst unter Joachim I., sondern bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden und nicht durch Ab­zweigung von der Kammer, sondern von der Kanzlei. Die Kammer hatte noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts nur geringfügige Bedeutung; in der Hauptsache war die Finanzverwaltung in der Hofrentei zentralisiert.