Heft 
(1911) 19
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26. (9. ordentliche) Versammlung: des XVIII. Vereinsjahres.

Mauern, die wir mit heimatlichem Stolz dem heranwachsenden Geschlecht oder den Fremden als das Haus zeigen dürfen, indem Paul Heyse gelebt hat oder unter uns wohnt.

Aber mögen auch die Steine nicht von Ihnen sprechen, Ihre Werke reden uns Berlinern noch heute eine lebendige Sprache und unsere Herzen wissen von Paul Heyse! Wen sein Weg an einem Sommerregentag am Goldfischteich im Tiergarten entlang führt, oder wer vom Gendarmenmarkt kommend östlich in die noch immer stille Jägerstraße einbiegt, dem tauchen oft noch vertraute Gestalten auf, mit denen einst Ihr Berliner Roman: Die Kinder der Welt uns als mit unvergeßlichen Freunden beschenkt hat. Oder wenn wir an Ihrer Hand imRoman der Stiftsdame inmitten märkischer Natur und Menschen schreiten, so fühlen wir wohl, wie wir uns einem Führer anvertraut haben, der unsere norddeutsche herbe Heimat versteht und liebt wie wir. Und wenn wir vor einigen Jahren im Osten der Stadt, wo die harte Arbeit des Tages die Kenntnis literarischer Ver­dienste in unsern Volksgenossen schwerer emporwachsen läßt als in den wohlhäbigeren Quartieren des Westens, mit dem Namen Paul Heyse eine Straße benannt haben, die unmittelbar ausgehend von einem unserer schönsten städtischen Parks, dem Friedrichshain, zur Zeit noch weit in unbebautes Gelände verläuft, so wird, wie wir hoffen, auch das ein Mittel sein, um kommenden Geschlechtern den Klang eines Namens wach zu halten, auf den die Vaterstadt seines Trägers stolz sein darf. Sie selbst haben einmal in launigen Versen erklärt:

,,Es waschen mir, der Heimat rechtem Sprößiing bis ins Grab

Weder Bock noch Isarwasser jemals den Berliner ab.

Das ist was eine Stadt von ihren großen und tüchtigen Söhnen sich nur wünschen kann. Und noch mehr fast klingt es den Ohren einer zur Millionen- und Weltstadt emporgestiegenen Heimat angenehm und erfreulich, wenn Sie an anderer Stelle gestehen, daß Sie bei einem Besuch in Berlin in dem großstädtischen Getümmel wie in der Brandung eines Seebades die verstörten Nerven sich wieder stärken ließen. So soll es sein. Der Dichter darf, wenn anders er seinen schönsten Beruf, auch ein Mehrer der inneren Schätze seiner Zeit zu sein, erfüllen will, nicht vor der Be­rührung mit dem eigenartigsten Erzeugnis moderner Kultur, der Großstadt zurückscheuen. Sie sind durch Beruf und Neigung an eine andere große deutsche Stadt gefesselt worden, und so haben sich naturgemäß die Bande lQckern müssen, die Sie mit Berlin verknüpfen. Aber der heutige Tag, an dem Sie eines der seltensten Feste des Menschenlebens feiern, bietet uns willkommenen Anlaß, Ihnen zu versichern, daß, wie Ihre eigenen Gedanken heute vielfach zurückschweifen werden zu den Stätten Ihrer Kindheit und Jugend, auch von hier Tausende von Herzen den Weg nach der alten