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26. (9. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.
der Ausgrabung wurde sorgfältig photographiert und das bei der Beisetzung des Toten in der Grotte künstlich in Hockerstellung gebrachte Skelett mit nur geringen Verletzungen aus den meterdicken Diluvialschichten, die es bedeckten, ans Licht gebracht. Professor Klaatsch gab nun, auch durch anschauliche Lichtbilder erläutert, interessante Mitteilungen von seinen vergleichenden Studien an den verschiedenen, dem Diluvium entnommenen Menschenresten: vom Neandertalmenschen angefangen, die Galley-Hill, Spy, Engis, Cro-Magnon und Krapinaskelette umfassend, bis zum Pithecantliropus von Java und zu Skeletten der Australier, schließend mit einer die bewährtesten Hilfsmittel vergleichender Anatomie benutzenden Nebeneinanderstellung der jüngst gefunden Reste der beiden Menschen typen, deren Schädel der Versammlung Vorlagen. Bezüglich der beiden letzteren gelangte der Redner zu dem Ergebnis, daß sie ganz verschiedene Typen darstellen, der Mousterienschichtmensch dem Neandertaler Typus gleiche, die Reste des Menschen der Aurignacschicht, der ohne Zweifel ein Mann von etwa 50 Jahren gewesen ist, dagegen erhebliche Verschiedenheiten in dem Sinne zeigen, daß die dem Neandertaltypus ungehörige Rasse von derberem Gliederbau und anders gearteter Schädelbildung sei als die zierlichere Aurignacrasse, deren Schädel und Gesichtsbildung den Langschädeln der indogermanischen Rasse ähneln mit einer großen Achse von 198 mm und einer größten Breite von 103 mm. Der Vortragende glaubt, daß die Gesamtheit der bisherigen Funde, die sich nach den beiden Typen des Mousterien- und des Aurignac-Menschen sondern lassen, beweise, daß beide beträchtlich verschiedenen Menschenrassen in der Diluvialzeit nebeneinander in Europa vorkamen, daß sie wahrscheinlich einander feindlich gegenüberstanden, aber schließlich doch Vermischungen der Rassen eintraten. Doch wo kommen die einen und die anderen ursprünglich her? Professor Klaatsch beantwortet diese Frage mit großer Vorsicht. Er glaubt in dem groben Typus der Neandertaler Menschen von afrikanischer, in dem feinem der Aurillacrasse Menschen von asiatischer Herkunft zu sehen und erinnert daran, daß auch die Fauna des Diluviums, die praeglaciale Tierwelt in Europa eine afrikanische und asiatische Herkunft nebeneinander zeigt: Elephas antiquus neben Elephas primigenius. Die Aurillacrasse zeigt entschieden anatomische Ähnlichkeit mit der australischen Menschenrasse, überraschend aber ist die Ähnlichkeit, welche die vergleichende Anatomie enthüllt zwischen dem Gliederbau der Neandertalerrasse und der afrikanischen Anthropoiden, der Gorillas einerseits, der Aurillacrasse und der asiatischen Anthropoiden, derOrangutans und Gibbons, andererseits. Professor Klaatsch schließt daraus, daß die Anthropoiden einer abwärts gerichteten Entwicklungsreihe desselben Urtypus angehören, aus dessen aufwärts gerichteter Entwicklungsreihe die Neandertaler Menschen bezw. die Menschen der Aurillacrasse hervorgingen. Der Vortragende schloß unter dem anhaltenden Beifall der Zuhörerschaft mit den Worten: er verhehle sich
