Heft 
(1911) 19
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7. (5. außerordentliche) Versammlung- des XlX. Vereiusjahres.

können, geriet hier jedoch auch aufentgegengesetzte Abwege. Der Mangel an Energie und Arbeitslust ließ ihn zum Dieb und Einbrecher werden, und seine unbezähmbare Sinnlichkeit machte ihn zum Mörder, nachdem seine Absicht, als englischer Fremdenlegionär am Krimkriege teilzunehmen, an seiner körperlichen Untauglichkeit gescheitert war. Er fiel, da er nicht arbeiten mochte, seinem Bruder Martin in Dertzow bei Lippehne zur Last und unternahm seit 1856 von hier aus zahlreiche Einbrüche, um dem Bruder für die gewährte Unterkunft und Beköstigung wenigstens einige Entschädigung bieten zu können. Verhaftet und mehrmals aus dem Gefängnis entsprungen trieb er sich nun raubend und plündernd umher. Bei Pvritz grub er sich eine Erdhöhle, in der er lange hauste. Als er einst im April 1858 in einem Backofen bei Wormsfelde nördlich von Landsberg a. W. übernachten wollte, fand er bereits jemand in dem Neste vor, eine Landstreicherin, die er, weil sie seinen stürmischen Liebes- werbungen widerstrebte, erdrosselte, um ihren Widerstand gänzlich zu brechen. So beging er seinen ersten Mord, und seitdem schonte er das Leben seiner Mitmenschen nicht mehr. Aus dem gleichen Grunde erwürgte er am 8. August 1858 auf dem Gut Albertinenhof eine Wirtschafterin. Wie er später vor dem Richter selbst angab, unternahm er um diese Zeit einen Streifzug über Bärwalde und Wriezen nach Berlin, Irrtümlich nannte er hier statt Berlin Berlinchen; vielleicht wollte er sagenin das Berlinische. Jedenfalls machte er im August und September die nach Berlin führenden Straßen unsicher; so überfiel er am 10. September 1858 den Fuhrmann Wattrow zwischen Tiefensee und Heckeiberg, ohne freilich sein Ziel zu erreichen. Er sagt:*)Der Heidekruger Forst bot einen versteckten Lagerplatz dar, von wo aus ich einzelne Touren in die Umgegend unternehmen konnte; auf einer derselben kam ich nach Berlin und verübte dort einen Einbruch in Moabit. Es kann also hier nur der Heidekrug am Roten Luch gemeint sein, und die in der Umgegend bis nach Wriezen hinauf noch in der Erinnerung lebenden Volkssagen können sich nur auf diese Zeit (AugustSeptember 1858) beziehen. So erzählt man z. B. in den Dörfern bei Wriezen die Geschichte**) von der vernagelten Frau. Da soll einst eine Frau aus Alt-Reetz dem Masch im Walde begegnet sein. Weil ihr der Mann, den sie nicht kannte, so unheimlich vorkam, fing sie an, schneller zu gehen, worauf er sie fragte, warum sie denn so.laufe. Sie antwortete:Ich habe Angst! Als er nun weiter fragte:Vor wem denn? entgegnete sie:Haben sie denn noch nichts von dem Masch gehört, der hier in der Gegend sein soll?

*) Nach Band II des Neuen Pitaval (Leipzig 1867).

**) Nach den Mitteilungen einer aus Wriezen gebürtigen Frau, der Mutter einer meiner Schülerinnen. Man vergleiche damit die Volkssage vom Eppele von Geilingen, der eine Bauersfrau, die ihn gescholten hatte, in der Weise straft, daß er ihre Hand in siedendes Fett stößt.