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9. (7. außerordentliche) Versammlung des XIX. Vereinsjahres.
Bäumen und dichtem Gebüsch, so dass er in seinem ältesten Teil als Erholungsort benutzt wird. Auf ihm liegt der General von Rosenberg begraben. Neben der Böschung des Berges mit einem Blick auf die Stadt hielt der Schriftsteller Herr Kotz de einen Vortrag über die Eroberung der Stadt durch den Grossen Kurfürsten am 25. Juni 1675 und zeigte dabei die Örtlichkeiten, die hierbei in Betracht kamen. Die allgemeine Lage war an diesem Tage folgende: Die Schweden hielten Havelberg, Rathenow und Brandenburg besetzt, und in Rathenow befehligte der Oberst Wangelin. Der Kurfürst war von Westen her im Anmarsch, und die altmärkischen Bauern hatten die schwedischen Stellungen ausgekundschaftet. Ebenso erhielt er Nachricht von einigen entflohenen Rathenower Bürgern, während die Schweden ganz im Unklaren waren. Der wichtigste Förderer der patriotischen Sache war der ehemalige Bürgermeister von Rathenow namens Matthias Bergmann, der sich in dem benachbarten Dorfe Milow aufhielt, weil er wegen eines begangenen Totschlages aus der Stadt verbannt war. Der Überfall wurde nun in folgender Weise durchgeführt. Die 600 Mann der schwedischen Besatzung wurden tüchtig mit Bier traktiert, das der Bürger Kaspar Bach gebraut hatte. Derfflinger selbst ritt mit wenigen Leuten an das Haveltor heran und gab vor, ein schwedischer Leutnant zu sein, der Nachrichten in die Stadt bringen sollte. Der Wachtmeister, der die Wache befehligte, liess ihn nicht durch, während einige Leute von der Wache die Besatzung alarmierten. Von der Wasserpforte waren unterdes die Brandenburger unter Kunowski und von der Mühlenpforte unter Kanne in die Stadt eingedrungen und öffneten von innen auch das Haveltor. Es wurden ungefähr 400 Schweden niedergemacht und 200 gefangen genommen. Unter den Gefangenen befand sich auch der Oberst Wangelin, der sich erst nach heftigem Widerstand ergeben hatte. Der Kurfürst ritt in die Stadt ein, und der Chronist berichtet, dass er sehr langsam geritten sei, wahrscheinlich deshalb, um die Toten zu schonen. Dann hielt er neben der Stadt einen Dankgottesdienst ab. Die Toten wurden dort begraben, wo die heutige Neustadt steht, denn man hat an einer Stelle in der Berliner Strasse zahlreiche Skelette gefunden. Über die eben geschilderten Begebenheiten gibt es mehrere Urkunden und eine Chronik. Eine Fabel ist es aber, dass Derfflinger und seine Soldaten verkleidet in einem Wagen in die Stadt gelangt sein sollen. Der Vortrag fand an seinem Schluss den lebhaften Beifall der Zuhörer.
Auf einem Umwege über den ausgedehnten Berg begab sich die Gesellschaft zur Loge, wo schon die Tafeln für das gemeinsame Mittagessen hergerichtet waren. Es waren zwei lange Tafeln aufgestellt, denn es hatte sich noch eine stattliche Anzahl Rathenower Bürger mit ihren Damen eingefunden. Nach der Suppe wurden die Toaste ausgebracht. Als erster sprach Herr Direktor Guthjahr, der Vorsitzende des Havel- ländischen Heimatvereins, und brachte zum Schluss ein Hoch auf die