Heft 
(1911) 19
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9. (7. außerordentliche) Versammlung- des XIX. Vereinsjahres.

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Brandenburgs aus. Ihm folgte der erste Bürgermeister, Herr Lindener, der in launiger Rede der Brandenburgs als Geschenk das Herz der Ratkenowcff darbrachte. Darauf sprach der I. Vorsitzende der Branden­burg^ Herr Geheimrat Friedei, und bedankte sich im Namen der Ge­sellschaft für den gastlichen Empfang. Er wünsche lebhaft, dass die Brandenburgs eines Tages der Mittelpunkt sämtlicher Heimatvereine der Provinz werden möchte. Sein Hoch galt dem Verein und der freundlichen Stadt Rathenow. Herr Kotzde und Herr Dr. Assmann feierten in ihren Reden die Damen.

Nach der Tafel begab sich die Gesellschaft zu dem Altstädtischen Rathaus, wo in dem Sitzungssaal die Sammlungen des Vereins auf Tischen ausgestellt waren. Es waren zu sehen: Hausgeräte und Waffen aller Art Bücher und Urkunden, Bilder und Photographien. Wichtig war eine Sammlung von Brillen und Gläsern in den verschiedensten Formen und Grössen, werden doch z. B. in der Stadt täglich 1000 Dutzend Brillen hergestellt, und sind doch ungefähr 4000 Arbeiter in der optischen In­dustrie beschäftigt. Die schönen Photographien von Rathenow und Um­gebung sind angefertigt von den Herren Venzke und Hilbert. Im Zimmer des Herrn Bürgermeisters hängen zwei Bilder, ein Gemälde Friedrich des Grossen und ein zweites, das seine Gemahlin vorstellt. Der Herr Bürgermeister verlas einen Brief Bismarcks aus dem Jahre 1849, in dem er von dem Wahlrecht zum Abgeordnetenhaus schreibt. Bismarck hatte in jener Zeit zweimal in der Stadt Wahlreden gehalten und war beim ersten Mal mit Steinen beworfen worden, wobei einer seinen Arm ge­troffen hatte. Trotzdem wurde er hier fast einstimmig gewählt. An der Wand hängt ein Bild Schinkels, das den Entwurf für die Restauration der St, Marien-Andreaskirche darstellt. Der Turm ist sehr auffallend gehalten, er besteht aus einem massigen Unterbau mit einem sehr schlanken hohen Aufsatz, der wie ein Fabrikschornstein wirkt

Die Stadt endet im Westen mit dem Haveltor. Es wird gebildet aus zwei viereckigen Pfeilern mit einer Vase als Aufsatz. Kurz vor dem Tor steht ein altes Fischerhaus, dessen Dach ein ziemliches Stück vorspringt. Neben diesem Tore ist noch ein Stück der Mauer erhalten, wie das große Format der Steine lehrt.

Hinter der Mauer neben der neuen Schleuse liegt das Restaurant Bellevue, wo der Kaffee eingenommen wurde; hier war die Tafelrunde zu Gast bei dem Heimatverein, und zum Schluß sprach Herr Specht über die wichtigsten Ereignisse aus der Geschichte der Stadt. Die Siedelung bestand schon zur wendischen Zeit, und zwar lagen auf drei Havelinseln das Dorf Jederitz, der Große und der Kleine Kietz. 1216 wird der Name Rathenow zuerst erwähnt, und 1295 erhielt die Siedelung deutsches Stadt­recht. Der Wohltäter der Stadt war Waldemar der Große, der den Stadt­wald schenkte. Ihm zu Ehren wird auf dem Markgrafenberg nun wieder