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9. (7. außerordentliche) Versammlung des" XIX. Vereinsjahres.
das Waldemarfest gefeiert. Mit dem Erlöschen des askanischen Geschlechtes begann für die Stadt eine traurige Zeit. Der schwerste Schlag in der älteren Zeit war die Eroberung durch den Erzbischof von Magdeburg im Dezember 1394. Der Feind war über den Schleusengraben unter der Kirche in die Stadt eingedrungen, und hatte viele Einwohner als Gefangene mitgenommen, die nun zum Teil in der strengen Winterkälte erfroren. Im Jahre 1409 war Dietrich von Quitzow Herr der Stadt. Aus den inneren Kämpfen ist noch zu erwähnen, daß der Pfarrer Dietrich es mit dem Papst Johann XXIII. hielt, während der Bischof Henning von Breclow zu Brandenburg für den Gegenpapst eintrat, aber gegen den Pfarrer nichts ausrichten konnte.
Unter den Hohenzollern kam die Stadt wieder in die Höhe, so erhielt sie z. B. den halben Schleusenzoll, der ihr bis zum heutigen Tage verblieben ist. Zu der inneren Geschichte gehören auch die Streitigkeiten zwischen Magistrat und Bürgerschaft und die zwischen der Stadt und den benachbarten Edelleuten. Auch zu einer Revolte gegen den Markgrafen Albrecht Achilles kam es wegen eines Zolles, und im Jahre 1552 wurden sogar zwei Hexen verbrannt. Die schlimmste Zeit für die Stadt war natürlich die des 30 jährigen Krieges. Die Zeit der Not begann mit dem Jahre 1620, als der Graf von Mansfeld die Stadt besetzte, und seitdem hörte die Besetzung mit Schweden und Kaiserlichen nicht mehr auf. Innerhalb zweier Jahre hat die Stadt z. B. einmal 57 573 Taler an die Kaiserlichen bezahlt. Im Jahre 1627 schon standen hundert Häuser leer und am Ende des 30 jährigen Krieges waren nur 40 Mann von den Bewohnern übrig geblieben. Der tapfere Bürgermeister Bergmann konnte nach der Eroberung der Stadt wieder in ihren Mauern leben, aber trotz aller Bemühungen, die bis zum Kurfürsten selbst gingen, setzten es seine Gegner, darunter der Ratsherr Hasse, der zum Anhang des Erschlagenen gehörte, durch, daß er wieder weichen mußte und in der Verbannung starb. Wie traurig es mit der Stadt bestellt war, ergibt sich daraus, daß im Jahre 1714 das Rathaus in Konkurs stand. Hier griff nun König Friedrich Wilhelm I. ein. Er ist der Erbauer der Neustadt. Bauholz und Steine erhielten die Unternehmer umsonst, dabei verschwanden das Stein-, Havel- und Mühlentor und ebenso das Jederitzer. Letzteres wurde allerdings wieder aufgebaut, aber 1886 aus Verkehrsrücksichten abermals beseitigt. Zwischen 1733 und 1736 erfolgte der Bau des Neustädtischen Rathauses. Der König legte Fabrikhäuser und Spinnereien an und erbaute das große Proviantmagazin. Das Dorf Neu-Friedrichsdorf wurde geschaffen und das Rodenwalder Bruch entwässert. Der Begründer aber der Industrie, die Rathenow berühmt gemacht hat, d. h. der optischen, war der Prediger Duncker, der im Jahre 1800 die Königlich privilegierte optische Industriestätte einrichtete, und zwar waren seine ersten Gehilfen Invaliden und Soldatenkinder. Ihm folgte sein Sohn und dann sein Neffe Busch, der im Jahre 1888 starb.