Zwei Berliner Schulmänner im achtzehnten Jahrhundert.
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Nach Hahns Angaben umfaßte die Literalmethode folgende Tätigkeiten: 1. Das Discourieren oder Erzählen, 2. das Annotieren mit den Anfangsbuchstaben, 3. das Tabellisieren, 4. das Kateehisieren und 5. das Repitieren oder Wiederholen. In der Praxis verlief eine Lektion nach der Literalmethode in folgender Weise. Der Lehrer trug den Lernstoff abschnittsweise vor, schrieb das Gebotene mit Stichworten an die Tafel und ließ dann die Anfangsbuchstaben der Stichworte folgen, die von den Schülern notiert werden mußten. Durch Katechisation verschaffte sich der Lehrer die Überzeugung, ob auch die Tabelle in ihren Einzelheiten verstanden worden sei, und übte sie innerhalb und außerhalb der Reihe. Hieran schlossen sich kurze und ernste Ermahnungen. Durch Wiederholen wurde der Schüler im Ablesen der Tabellen geübt und somit der Wissensstoff eingeübt. Die Buchstabenmethode sollte nach Hähns Ansicht zur Unterstützung des Gedächtnisses dienen, den Lernstoff klar und übersichtlich bieten, eine Einprägung und die Wiederholung erleichtern.
Es leuchtet ein, daß zu jener Zeit, in der Lehr- und Lernbücher noch in den Kinderschuhen steckten, und in der das Wort des Lehrers das Wissen des Schülers wurde, diese Buchstabenmethode auch ihre Vorteile hatte. Wenn man später die „Tabelle“ und nicht das „Erarbeiten des Wissens“ als die Hauptsache ansah — von diesem Irrtum ist auch Hähn nicht freizusprechen —, so ist das bedauerlich, und der harte Tadel, den die Methode erfahren hat, ist wohl berechtigt. Der berühmte Berliner Schulmann Friedrich Gedike geht mit der Hähnschen Methode besonders scharf ins Gericht. Er berichtet in seiner Schrift „Einige Gedanken über Übungen im Lesen. Berlin 1785“ über seine in den Berliner Schulen gemachten Erfahrungen, daß man hier unterrichtete: „1 heißt darum 1, weil der Strich ein Horn trägt, x darum x, weil das r ein Häkchen hat usw.“ Ohne Zweifel ist dies von einem Schüler Hähns geschehen, der das Wesen seiner Methode, die genetische Entwicklung und die Inanspruchnahme der Phantasie des Kindes, garnicht erfaßt, oder den die Bequemlichkeit zu solchem geistlosen, unsinnigen Verfahren geführt hatte. Übrigens ist auch Gedike in seiner Fibel 1 )) die nach der von ihm erfundenen W 7 ortmethode angelegt ist, dem Hähn gefolgt; gleich wie dieser läßt erden neuzuerlernenden Buchstaben in dem Worte in rotem Druck erscheinen.
Doch folgen wir Hähn auf seinem weiteren Entwicklungsgänge. Nachdem Hähn kurze Zeit in Halle studiert und am dortigen Waisenhause mit gutem Erfolg unterrichtet hatte, übernahm er die Stelle eines Informators im Hause des Herren von Hohenthal. Er weilte mit seinem Zögling auf dem Lande, und die einfache Dorfschule wurde der Ort, in der er in den Mußestunden weitere Erfahrungen sammelte.
‘) Kinderbuch zur ersten Übung im Lesen ohne Abc und Buchstabieren. Berlin 1791 und 1798.
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