Heft 
(1911) 19
Seite
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Friedrich Wienecke.

Wohl vorbereitet trat Michaelis 1780 in das mit der Realschule verbundene Landsclmlmeister- und Küsterseminar ein, um sich dem Lehrerberuf zu widmen. Michaelis gehörte bald zu den besten und bevorzugten Schülern und genoß das Vorrecht der Hausseminaristen. Er hatte nicht nur Unter­richt und Unterhalt frei, sondern er trat als Gehilfe bei Vakanzen in den Parochialschulen, der großen deutschen und der Real-Schule ein und erwarb sich hier eine außerordentliche Lehrgeschicklichkeit, von der seine Kollegen und Schüler nicht genug zu rühmen wissen. Im Seminarunterricht war es der Lehrer Werdermann, der auf ihn fördernd einwirkte, und der ihn mit der Geschichte der Methodik im Deutschen bekannt machte. Mit Stolz erzählte dieser seinen Schülern, daß er in jungen Jahren als Leiter der Paroehialschule am Rondel 1 ) Kinder, ohne daß diese buchstabierten, zum Lesen geführt habe. Er war es gewesen, der die Versuche mit der Ventz- kyschen Methode gemacht und zum Staunen aller Lehrer Erfolge erzielt hatte. An Wissen konnte der Seminarunterricht dem Michaelis nicht viel bieten, da er Rücksicht auf die übrigen Schüler zu nehmen hatte, die geistig nicht auf gleichem Standpunkt standen. Desto mehr Schätze bot die reichhaltige Bibliothek, die von ihm fleißig benutzt wurde. 1782 ver­ließ Michaelis nach wohlbestandener Prüfung die Anstalt und übernahm auf Wunsch des Propstes Abraham Teller von Kölln, der die Prüfung ge­leitet hatte, eine Parochialschulhalterstelle in der Köllnischen Vorstadt, jetzt Luisenstadt. Die Aussicht war nicht verlockend. Es bestanden in diesem damals noch schwach bevölkerten Stadtteil 8 konzessionierte Parochial- und 6 Winkelschulen. Im Vertrauen auf Kraft und Geschicklichkeit nahm Michaelis das Anerbieten an, und die verwahrloste Schule blühte unter ihm bald empor. Nach einem Bericht vom Jahre 1788 hatte sie 86 Schüler und Schülerinnen, unter denen viele Armenkinder waren. Die Gegenstände des Unterrichts waren Lesen, Rechnen, Schreiben und Kate­chismus; kleine Kinder bezahlten wöchentlich 1 Gr., die mittleren 1 */ 2 Gr. und die größten 23 Gr. Geographie, Geschichte, Naturgeschichte und Französisch wurde extra erteilt und bezahlt; für ein Armenkind zahlte die Stadt wöchentlich '* Gr. Michaelis war bestrebt, seine Schule zu heben, und daß ihm dies gelungen ist, zeigt ein Prüfungsbericht aus dem Jahre 1800. Am 14. Mai hielt er in dem großen Gartensaale in der Kommandantenstraße unter großem Zudrang des Publikums eine öffentliche Prüfung ab, die äußerst glänzend verlief. Man sieht aus dem Schulplan 2 ), daß seine Schule nicht mehr zu denniederen, sondern zu dengehobenen Parochialschulen gehörte; denn neben Unterricht in den Elementarfächern wird solcher in Geschichte, Erdkunde, Staatskunde, Statistick und Französch erteilt. Die Schule war nicht mehr einklassig, dreistufig, sondern zwei- klassig vierstufig, also nach dem Muster der Reekahner Schule organisiert,

') Jetzt Belle-Alliance-Platz. ! ) Siehe Beilage 1.