Heft 
(1911) 19
Seite
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11. (!i. ordentliche) Versammlung- des XIX. Vereinsjahres.

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2. Und, was damit zusammenhängt, nicht weniger zu verwundern wäre es, daß seitdem diese Entwickelung der sogen. Menschenaffen aufgehört hätte und gänzlich abgebrochen wäre, daß seit Jahrhundert­tausenden Gorilla, Schimpanse, Orangutan und Gibbonauf den toten Strang geraten sind und, obwohl sie unter Menschen leben und deren Bei­spiel sehen, Affen bleiben (Friedei), ja daß selbst aus dem famosen Pithecanthropus erectus, dieser iibel zusammengebrochenen Stütze jenes Irrglaubens, dessen Gleichzeitigkeit mit dem Diluvialmenschen übrigens geologisch widerlegt ist, kein richtiger Mensch hat werden wollen.

3. Wenn jene Abstammung und so nahe Verwandtschaft wirklich stattfände, so müßte doch auch eine wirkliche Verständigung zwischen dem Menschen und den höchst ent wickelten Affen, seinen Vettern von der älteren Linie, beiderseitig möglich sein, nicht nur ein allgemeines Verständnis des Ausdrucks der Gefühle und des Begehrens oder einzelner in gleicher Weise immer wieder an die Tiere gerichteter und von bezeich­nenden Mienen und Gebärden begleiteter 'Worte, sondern, eine gegenseitige deutliche Mitteilung der Gedanken, also durch die Sprache, dies besondere Mittel für den Gedankenaustausch. Alle Menschen ohne Ausnahme können sich durch dieselbe verständigen; auch die auf der niedrigsten Kulturstufe stehenden Völker lernen die Sprache der höchstkultivierten verstehen und gebrauchen, und zwar vollkommen, wenn sie lange genug in deren Lehre sind, und umgekehrt können diese sich mit jenen sehr bald in ihrer Sprache verständigen und darin auch noch unbekannte Vorstellungen und abstrakte Begriffe durch Weiterbildung ihrer Sprache beibringen, wie das besonders die Tätigkeit der Missionare zeigt. Noch niemals aber hat auch der höchst­entwickelte Affe mit den Menschen sprechen gelernt. Die Sprache ist eben ein spezifisch menschliches Verständigungsmittel als das feinste Organ des menschlichen Geistes.

4. Dazu kommt endlich und vornehmlich (Eucken) die selbstbewußte und sich selbstbestimmende, freie Persönlichkeit des Menschen, die nicht ausschließlich unter der naturnotwendigen Kausalität des Trieblebens und der Außenwelt steht, wie der Monismus konsequenter Weise will, sondern nach frei gewählten Zwecken handelt und bei sich gleichbleiben­den Anlagen auf stete Vervollkommnung des Individuums wie der Easse angelegt und gerichtet ist, was sich in der stets fortschreitenden Kultur der Menschheit und der einzelnen, auch der rohesten Völker zeigt und im Individuum über die hier mögliche Stufe hinausweist. Sie fehlt trotz z. T. hochentwickelten Verstandes und Gemütes den Tieren entschieden. Nimmt man zu diesen rein aus dem Denken sich ergebenden Gründen noch die naturwissenschaftlichen hinzu, z. B. den vom Herrn Geh. Reg.-Rat Friedei kürzlich erst hervorgehobenen, daß die bei allen Affen vorspringenden Eck­zähne aucfi den rohesten Diluvialmenschen fehlen, so ist die prinzipielle Scheidung zwischen Menschen und Affen nicht abzuweisen, und der Mensch